Nationalrat will Verdingkinder nicht weiter diskriminieren
Der Nationalrat gibt grünes Licht: Das Gesetz wird abgeändert, sodass der Solidaritätsbeitrag für Verdingkinder nicht von der Ergänzungsleistung abgezogen wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Verdingkinder wurden mit einem einmaligen Solidaritätsbeitrag entschädigt.
- Manchen ehemaligen Verdingkindern wurde der Betrag von der Ergänzungsleistung abgezogen.
- Nach dem Ständerat sagt auch der Nationalrat nein zu dieser Ungerechtigkeit.
Der Solidaritätsbeitrag für Verdingkinder und andere Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen soll nicht zu einer Kürzung der Ergänzungsleistungen führen. Das hat der Nationalrat heute Montag mit 186 zu 0 Stimmen beschlossen.
Der Ständerat hatte bereits vergangenen Donnerstag der entsprechenden Gesetzesänderung oppositionslos zugestimmt. Das Problem: Nach geltendem Recht werden die Ergänzungsleistungen (EL) gekürzt, wenn der Solidaritätsbeitrag von 25'000 Franken zusammen mit einem allfälligen Vermögen die Summe von 37'500 Franken übersteigt.
Nationalrat will Ergänzungsleistungen ausnehmen
Künftig sollen nun die Solidaritätsbeiträge sowie Erträge daraus bei der Berechnung der EL ausgeklammert werden. Dies soll gewährleisten, dass sie den Opfern uneingeschränkt zu Gute kommen. Bereits erfolgte EL-Kürzungen sollen zurückerstattet werden.
Die Gesetzesänderung hatte die Sozialkommission des Ständerates (SGK) auf Basis einer parlamentarischen Initiative ausgearbeitet. Auch der Bundesrat hatte die Gesetzesänderung befürwortet.
Bisher lediglich 20 Betroffene
Von den 9000 Personen, die ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag gestellt haben, beziehen laut dem Bundesrat nach heutigem Kenntnisstand rund 830 Personen Ergänzungsleistungen.
Nur ein Teil von ihnen ist von EL-Kürzungen betroffen, da bei den Ergänzungsleistungen ein Freibetrag für das Vermögen gilt. Bisher hätten sich zwanzig Betroffene gemeldet, schrieb der Bundesrat in seiner Stellungnahme. Er schätzt die Nachzahlungen auf maximal 600'000 Franken.
Der Solidaritätsbeitrag wird aufgrund eines vom Parlament beschlossenen Gesetzes ausgezahlt. Dieses anerkennt, dass den Betroffenen Unrecht angetan worden ist, das sich auf ihr ganzes Leben ausgewirkt hat. Weiter ermöglicht es die wissenschaftliche Aufarbeitung und regelt die Akteneinsicht. Fürsorgerische Zwangsmassnahmen waren in der Schweiz bis 1981 angeordnet worden.