Wird die Pflegeinitiative zum Selbstläufer?
Die derzeit hängige Pflegeinitiative fordert mehr ausgebildetes Pflegepersonal. Der Corona-Effekt spielt den Initianten in die Hände.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen dem Coronavirus steht das Pflegepersonal im Fokus.
- Dies könnte den Forderungen nach Tausenden zusätzlichen Lernenden Nachdruck verleihen.
- Auch die Volksabstimmung zur Pflegeinitiative werde man gewinnen, sagen die Initianten.
Das Gesundheitspersonal erfährt in der Corona-Krise eine Sympathiewelle sondergleichen. Noch besser wäre es, wenn nach der Krise das Interesse an diesen Berufen wächst. Denn Schätzungen zufolge müssen in den nächsten zehn Jahren 65'000 Pflegende zusätzlich ausgebildet werden. Das wäre fast eine Verdopplung bei den Ausbildungen.
Führt das Coronavirus indirekt dazu, dass sich die Lage verbessert? Gleichzeitig ist im Parlament auch noch die Pflegeinitiative hängig, die den Bund zu genügend Pflege-Ausbildungen verpflichten will. Das Volk wird voraussichtlich nächstes Jahr darüber abstimmen. Getraut sich da noch jemand, dagegen zu sein?
«Werden diese Abstimmung gewinnen»
Dass die Pflege «dank» Coronavirus im Scheinwerferlicht steht, helfe jedenfalls, sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachpersonen SBK. Werden also alle Parlamentarier der Initiative zustimmen? «Wir sind überzeugt, dass die Ratsmitglieder die zentralen Forderungen der Pflegeinitiative nun besser nachvollziehen und einordnen können», meint sie diplomatisch.
Die da wären: Ausbildungsoffensive, Massnahmen für Qualität und Patientensicherheit, Rahmenbedingungen des Berufs verbessern. Man habe die berechtigte Erwartung, dass der Ständerat, der hier eher bremst als der Nationalrat, die Forderungen nun ernst nehme. Im Raum steht nach wie vor ein Gesetzesvorschlag, der es den Initianten erlauben würde, die Pflegeinitiative zurückzuziehen. Und sonst stimmt halt das Volk ab: «Wir sind zuversichtlich, dass wir diese Abstimmung gewinnen werden», mahnt Ribi.
Run auf Gesundheitsberufe
Doch braucht es die Initiative überhaupt noch nach der Krise? Das Ansehen der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner könnte nicht grösser sein. Die vom SBK oft beklagte Bild der Bevölkerung vom Pflegeberuf in einer «traditionellen Rolle» sollte revidiert sein. Werden sich kommenden Herbst weitaus mehr Jugendliche für die Ausbildung zur «Pflegefachfrau / Pflegefachmann auf Tertiärstufe» interessieren?
Der Corona-Effekt werde hoffentlich dazu führen, dass sich mehr Personen für eine Pflegeausbildung interessieren, bestätigt Ribi. Aber es werde nicht reichen: «Das wird aber niemals den massiv wachsenden Bedarf an Pflegefachpersonen abdecken können, die wir in den nächsten Jahren ausbilden müssen.»
Job-Bedingungen müssen besser werden
Mit der Zahl der Ausgebildeten allein ist es auch noch nicht getan. «Die Pflegetätigkeit ist auch zu normalen Zeiten sehr anspruchsvoll und belastend», mahnt SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi. Damit die Ausgebildeten auch länger im Beruf bleiben, brauche es auch Massnahmen bezüglich Qualität und Patientensicherheit.
Könnten die Bilder von Spitalpersonal im Dauereinsatz also gar abschreckend wirken? Einerseits zeige die Corona-Krise, dass die Pflegenden eine zentrale Rolle einnähmen bei deren Bewältigung mit der Behandlung der Kranken. «Klar ist, dass solche Sondereinsätze nur zeitlich begrenzt möglich sind. Sonst würden noch mehr Pflegepersonen den Beruf verlassen, als dies schon heute der Fall ist.»
Die Sympathiewelle für das Pflegepersonal veranschaulicht einer breiteren Bevölkerung, worum es beim Personalmangel und der Pflegeinitiative eigentlich geht. Der Corona-Effekt ist damit ein zusätzlicher Bonus für die Initianten. Denn, als hätte man es vorausgeahnt: Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO unterstützt zumindest ideell. Sie hat schon vor Monaten 2020 zum «Year oft he nurse» ausgerufen, dem Jahr der Pflegefachperson.