Euro 2020: So stark schätzt ein Wales-Experte die Schweizer Nati ein
Endlich hat das Warten ein Ende! Am Samstag um 15 Uhr trifft die Schweizer Nati zum Auftakt der Euro 2020 auf Wales. Ein walisischer Experte tippt auf Remis.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz trifft am Samstag um 15 Uhr auf Wales.
- Über den Gegner ist hierzulande eher wenig bekannt.
- Ein walisischer Fussball-Experte beantwortet die wichtigsten Fragen.
Genau 1813 Tage nach ihrem letzten EM-Auftritt greift die Schweizer Nati an der Euro 2020 wieder ins Geschehen ein.
Morgen Samstag um 15 Uhr trifft die Petkovic-Elf in der Gruppe A auf Wales. Die Waliser sind auf dem Papier der vermeintlich schwächste Gegner.
Umfrage
Wie geht das Spiel zwischen der Schweizer Nati und Wales aus?
Nau.ch hat vor dem Duell mit dem walisischen Sport-Journalisten Tom Coleman* über die Ausgangslage gesprochen.
Nau.ch: Herr Coleman, in der Schweiz reden alle nur von Superstar Gareth Bale. Wie wichtig ist er für die walisische Nationalmannschaft? Kann er alleine ein Spiel entscheiden?
Tom Coleman: Sagen wir es mal so: Gareth hatte angeblich eine «schlechte» Saison bei Tottenham und erzielte trotzdem 11 Tore in 20 Premier-League-Spielen. Natürlich ist er nicht mehr der Spieler, der er 2016 war. Er hatte seine Schwierigkeiten auf Vereinsebene und hat vielleicht ein wenig an Tempo verloren. Aber er hat immer noch die Fähigkeit, die Magie zu produzieren, die nötig ist, um ein Spiel zu verändern. Natürlich gibt es in Wales mehr als nur Gareth Bale.
Nau.ch: Welche anderen Spieler meinen Sie?
Tom Coleman: Daniel James (ManUnited) hat das Tempo, um die Abwehr zu überrumpeln, Kieffer Moore (Cardiff) ist im Strafraum sehr gefährlich, Aaron Ramsey (Juventus) spielt Pässe, die kein anderer Spieler sehen kann. Joe Rodon (Tottenham) ist ein vielversprechender Innenverteidiger und Neco Williams (Liverpool) ist für mich einer der aufregendsten jungen Spieler, die der walisische Fussball seit langem gesehen hat. Aber es ist natürlich schwer zu leugnen, dass Bale immer noch der Talisman dieser Mannschaft ist.
Nau.ch: Welches sind die Stärken des walisischen Teams?
Tom Coleman: Wales ist defensiv ziemlich solide. In den letzten 13 Spielen haben sie 10 Mal zu null gespielt. In der Offensive sind James, Bale und Ramsey in der Lage, jede Mannschaft vor Probleme zu stellen, wobei das Tempo von James besonders bei Kontern gefährlich ist. Auf der anderen Seite hat sich Wales gegen grössere Mannschaften schwergetan und in diesem Jahr klare Niederlagen gegen Frankreich, England und Belgien erlitten, obwohl zwei dieser Spiele Freundschaftsspiele waren.
Nau.ch: Woran könnte Wales scheitern?
Tom Coleman: Wie bereits erwähnt, handelt es sich um eine junge Mannschaft. Die Unerfahrenheit könnte bei diesem Turnier gegen sie sprechen, aber der Teamgeist, den wir alle 2016 gesehen haben, ist weitgehend intakt geblieben.
Nau.ch: Wie schätzen sie die Schweizer Nationalmannschaft ein? Gibt es einen Spieler, welcher heraussticht?
Tom Coleman: Ich denke, die Schweiz ist ein sehr schwieriger Gegner für das Auftaktspiel. Wales hat aber sicherlich genug Qualität, um Probleme zu verursachen. Ich glaube nicht, dass sie sie fürchten werden. Die Schweizer Mannschaft hat einige sehr gute Spieler, die auf einem sehr guten Niveau spielen.
Nau.ch: Können Sie konkrete Namen nennen?
Tom Coleman: Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka sind hierzulande wohlbekannte Spieler. Beide haben das Talent, Wales das Leben schwer zu machen. Aber ich bin mir nicht so sicher, ob die Schweiz wirklich als Mannschaft mit einem herausragenden Star angesehen wird. Stattdessen werden sie wohl eher als eine Mannschaft gesehen, die als Kollektiv gut funktioniert. Sie sind schwer zu knacken und im letzten Drittel sehr konkurrenzfähig.
Nau.ch: Welche Spieler haben Sie sonst noch auf dem Radar?
Tom Coleman: Ich persönlich mag Breel Embolo, der eine starke und kraftvolle Präsenz in der Offensive hat. Aber die grösste Gefahr könnte Haris Seferovic von Benfica sein, wenn man seine Leistungen betrachtet. Er hat gerade eine hervorragende Saison auf Vereinsebene hinter sich, in der er 26 Tore in allen Wettbewerben erzielt hat. Wales wird ihn genau beobachten müssen.
Nau.ch: Wie gross sind Ihre Erwartungen für die Euro 2020? Wie weit kann es Wales schaffen?
Tom Coleman: Schwierig zu sagen. Einige Fans werden sagen, dass sie einfach froh sind, wieder bei einem grossen Turnier dabei zu sein. Das war auch bei der Euro 2016 so. Damals ging Wales in das Turnier und freute sich, nach so langer Abwesenheit wieder mit von der Partie zu sein.
Nau.ch: Spielt die starke EM, die Wales 2016 gezeigt hat, dabei eine Rolle?
Tom Coleman: Das Erreichen des Halbfinals hat natürlich bei einigen Fans die Erwartungen an die Nationalmannschaft erhöht. Aber ich denke, dass das Scheitern in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 ein grosser Realitätscheck war. Die Erwartungen sind jetzt vielleicht nicht so hoch, aber ich persönlich denke, dass es eine gewisse Enttäuschung geben wird, wenn Wales nicht das Achtelfinale erreicht.
Nau.ch: Welches Resultat tippen Sie für die Partie am Samstag?
Tom Coleman: Ich sage 1:1, was meiner Meinung nach ein ordentliches Ergebnis für Wales ist. Ich erwarte, dass sie tief stehen und versuchen, die Schweiz mit Kontern zu überrumpeln. Eine Niederlage im Eröffnungsspiel wird die Zusammensetzung der Gruppe sehr schwierig für sie machen, vor allem, wenn Italien kommt. Ich erwarte, dass Wales eine vorsichtige Herangehensweise wählt, die hoffentlich die Offensivbemühungen der Schweiz zunichtemachen wird.
*Tom Coleman arbeitet als Fussball-Experte bei «WalesOnline». Er wurde bei den «Welsh Media Awards 2020» als Sportjournalist des Jahres nominiert.