Zum Kaffeetrinken nach Triest
In Triest trinken die Italiener noch mehr Kaffee als anderswo. Dafür gibt es einige gute Gründe. Eine koffeinhaltige Tour durch die Stadt an der Adria.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Antico Caffè Torinese zählt zu den ältesten Lokalen Italiens.
- Im Caffè Stella Polare wird am Tresen und im Stehen schnell getrunken.
- Wer ins Caffè degli Specchi rein möchte, muss Schlange stehen.
Es ist nicht so, dass man ein Lexikon braucht, um einen Kaffee in Triest zu bestellen. Wer «un caffè» ordert, kriegt auch einen – hat sich aber als Tourist geoutet.
Wer nicht auffallen will, sollte ein wenig üben: In der Hafenstadt in Italiens Nordosten ist ein Espresso «un nero», einer mit einem Schuss Milch «un capo» und einer mit einem Häubchen Milchschaum «un giocciato».
Wer das Ganze im Glas statt in der Tasse möchte, fügt ein «in b» hinzu («in bicchiere» heisst «im Glas»). Alles klar soweit?
Stadt des Kaffees
In Triest gibt es Kaffeemuseum, Kaffeemesse und Kaffeeschule. Und einige altehrwürdige Kaffeehäuser und Konditoreien.
Kaffee gehört zur Stadt wie Kaiserin Sisi zu den Habsburgern. Von der einstigen Macht ist nicht mehr viel übrig, von der Kaffeeindustrie schon.
Bis heute sind dem Rohstoff am Triester Hafen rund 40´000 Quadratmeter Fläche vorbehalten.
Mehr Kaffee wird in Italien nur im Hafen von Genua umgeschlagen. Getrunken werden in Triest angeblich 1500 Tassen pro Kopf im Jahr, deutlich mehr als im Rest des Landes.
Zehn Tassen am Tag sind kein Problem
Das Antico Caffè Torinese in der Nähe der Piazza della Borsa ist eines von fünf Kaffeehäusern in der Stadt, die auf der landesweit geführten Liste von «locali storici» stehen und damit zu den ältesten Lokalen Italiens zählen.
Der Marmortresen und der Kronleuchter darüber sind Originale aus dem Eröffnungsjahr 1919. Dahinter wird nicht nur Kaffee zubereitet, es werden auch Cocktails gemixt.
Wie viel Kaffee sie täglich trinken, frage ich die Frauen hinter dem Tresen.
«Cinque», fünf, sagt Giada Balanzin, 23, aber ihre Kollegin Adel Flores, 22, überbietet sie: «Sei», sechs also. Und ihr Chef – das sagen sie beide – der schaffe sogar «dieci»: zehn.
Kaffee sei in Triest ein Ort, an dem die Seele wohne, zitiert das Triester Stadtmarketing dann auch Roberto Morelli, der sich wiederum als Marketingchef von Illy entpuppt.
Der Kaffeekonzern wurde 1933 in Triest gegründet. Der heutige Chef Andrea Illy soll bei seiner ersten Tasse Kaffee angeblich vier Jahre alt gewesen sein.
Kaffee wird schnell im Stehen getrunken
Fortsetzung der Kaffeehaus-Tour am nächsten Morgen, im Caffè Stella Polare, noch eines der fünf traditionellen Häuser.
Getrunken wird am Tresen, schnell und im Stehen, wie man es aus Italien kennt.
«Buongiorno, caffè?», ruft der Baristo, sobald einer das Café betritt.
«Un capo in b, per favore», sage ich zum ersten Mal und bekomme ein Glas mit Espresso und einem Schuss Milch.
Draussen am Canal Grande steht James Joyce (1882-1941), jedenfalls sein Denkmal.
Der irische Schriftsteller lebte von 1905 bis 1915 in Triest. Es gibt kaum ein Café, das nicht damit wirbt, dass der Mann einmal dort gewesen wäre.
In der 1900 eröffneten Konditorei Pirona soll Joyce sein Meisterwerk «Ulysses» begonnen haben.
Schlange stehen für einen «deca»
Weiter zur Piazza dell'Unità d'Italia, angeblich Europas grösster Platz mit offenem Blick aufs Meer. Dort residiert das Caffè degli Specchi, das grösste Kaffeehaus Triests.
Es wurde 1839 eröffnet und war einst Treffpunkt der Irredentisten, der Befürworter der italienischen Einheit, später dann, nach dem Zweiten Weltkrieg, Quartier der britischen Marine.
Laut dem Betreiber werden hier 900´000 Tassen Kaffee im Jahr ausgeschenkt.
Wer rein will, muss schon mal Schlange stehen. Eine Art Platzwärter bringt mich zu einem Tisch in letzter Reihe, guter Ausblick auf das Treiben, eine entspannte Mischung aus Touristen und Einheimischen: alte Damen mit kleinen Hunden, junge Pärchen mit grossen Koffern, Zeitungsleser, Weissweinmorgenesser.
Die beiden bisherigen Kaffee wirken inzwischen. Also bestelle ich «capo deca in b» wie ein einheimischer Vollprofi. Das «deca» steht für «decaffeinato», entkoffeiniert.
Gemächlicher geht es nebenan im Caffè Tommaseo zu, Triests ältestem Kaffeehaus, 1830 eröffnet. Vor dem Eingang hängt eine Liste mit den Kaffeespezialitäten.
Neben «capo» und «nero» gibt es Kreationen mit Ginseng oder Schnaps wie in den anderen Häusern auch.
Erinnerungen an bessere Tage
Quer durch die Stadt finden sich immer wieder Schaufenster mit historischen Kaffeewaagen, Mühlen oder Espressokochern - nur die Läden dazu gibt es nicht mehr. Viele Geschäfte stehen leer.
«Die Stadt wirkt auf den ersten Blick schnell und geschäftig, aber darunter ist alles sehr langsam», sagt Alberto Polojac.
Er gibt an, mehr als zehn Tassen Kaffee am Tag zu trinken, und hat sich eine Kaffeebohne mit Schnurrbart und Hut ausgedacht: Mr. Bloom, das gleichnamige Logo seiner Kaffeeschule, der Bloom Coffee School in der Nähe des Triester Bahnhofs.
Dort bietet Polojac Schulungen für Geschäftsleute an, aber auch für Laien.