Netflix sprengt mit «6 Underground» die Geschmacksnerven in die Luft
Eine Spezialeinheit jagt im Film «6 Underground» Verbrecher. Der Regisseur Michael Bay frönt auf Netflix seiner bekannten Zerstörungswut.
Das Wichtigste in Kürze
- Michael Bay hat für Netflix «6 Underground» gedreht.
- Der Hauptdarsteller Ryan Reynolds macht mit fünf Mitstreitern Bösewichte unschädlich.
- Bay entfesselt ein Gewitter aus Explosionen, dämlichen Sprüchen und dreister Werbung.
Ein Milliardär (Ryan Reynolds) täuscht seinen Tod vor, um verdeckt eine sechsköpfige Spezialeinheit zu gründen. So rekrutiert er unter anderem eine Spionin (Mélanie Laurent), einen ehemaligen Soldaten (Corey Hawkins) sowie einen Parkour-Läufer (Ben Hardy). Ihr Ziel: Die Welt vom Bösen zu befreien.
Weil sie keine Bindung zueinander aufbauen dürfen, operiert das Grüppchen unter den Zahlen eins bis sechs als Decknamen. Bis an die Zähne bewaffnet machen sie grausamen Menschen den Garaus. Ihre Mission führt sie zur (fiktiven) unterdrückten Nation Turgistan. Um das Volk zu befreien, müssen sie den herrschenden Diktator Rovach (Lior Raz) umbringen.
Kreative Freiheit bei Netflix
Im Kampf um die Gunst der Zuschauer braucht es im Streaming-Zeitalter genügend finanzielle Mittel. Netflix hat mit künstlerischen Filmen wie «Roma» oder «The Irishman» einiges an Prestige erlangt. Für letzteres Projekt stellte man dem Regisseur Martin Scorsese ein Budget von 140 Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Sein Berufskollege Michael Bay besitzt zwar keinen Ruf wie Scorsese, verfügt aber dennoch über stilistische Erkennungsmerkmale und sorgt für Umsatz. Alleine die fünf von ihm inszenierten «Transformers»-Streifen haben weltweit über vier Milliarden Dollar eingebracht.
Da verwundert es nicht, dass Netflix angeblich 150 bis 170 Millionen beigesteuert und Bay kreative Freiheit gewährt hat. Leider lässt das Endresultat qualitativ deutlich zu wünschen übrig.
«6 Underground» zeigt Bay in seiner hemmungslosen Form
Nach einem kurzen, bedeutungsschwangeren Monolog geht die Chose rasant los. Bereits die gefühlt 15-minütige Verfolgungsjagd in Florenz suhlt sich im wahnwitzigen Spektakel. Autos zerteilen sich in der Luft und sowohl Feinde als auch Zivilisten werden zu deplatzierter Musik über den Haufen gefahren.
Dazu passiert ungefähr alle zwei Sekunden ein neuer Schnitt oder Szenenwechsel. Der übermässige Gebrauch von Zeitlupe und allerlei infantile Scherze über Genitalien dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Bay zieht bei «6 Underground» sämtliche Register seines Schaffens. Die unverhohlene Anbiederung ans amerikanische Militär ist genauso vorhanden wie die unverblümte Regierungskritik.
Dazu gesellt sich schamlose Reklame. In bester Werbevideo-Ästhetik werden munter Marken wie Red Bull, Heineken, Ferrari sowie weitere Produkte im Bild platziert. Ähnlich oberflächlich wie die Werbung kommt auch die Charakterisierung der Figuren daher.
Mit zahlreichen Rückblenden sollen die Protagonisten etabliert werden. Sie verraten aber letztendlich wenig über deren Beweggründe oder Herkunft. Schauspielerisch sind zudem keine der Darsteller gefordert. Reynolds klopft ähnlich wie bei «Deadpool» sarkastische Sprüche, welche im besten Fall nur leidlich lustig daherkommen.
In der zweiten Hälfte drückt Bay etwas auf die Handbremse, um die Action mit minimal mehr Übersicht anzureichern. Diese macht die lahme Handlung und das Schnitt-Massaker nicht wett, bewahrt den Film aber vor dem Absturz in niedrigste Gefilde.
Fazit
«6 Underground» bietet mit sinnlosem Krawall, den schlechten Sprüchen und einer ermüdenden Abfolge an schnellen Schnitten viel Nährstoff für Bay-Kritiker. Andererseits dürften seine Anhänger genau wegen des exzessiven Materialverbrauchs in Jubel ausbrechen.
Wer auf Netflix 128 Minuten lang infantile Witze, unsympathische Charaktere, Schleichwerbung sowie Pathos aushalten kann, dem sei diese Reizüberflutung empfohlen.