Donald Trump droht – einzige Sprache, die Hamas versteht?
US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Hamas, die israelischen Geiseln freizulassen. Das einzige, was wirkt? Nahost-Experten ordnen ein.
![US-Präsident Donald Trump](https://c.nau.ch/i/Mpgwr1/900/us-prasident-donald-trump.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Die Hamas soll die Geiseln freilassen, fordert Donald Trump – und stellt ein Ultimatum.
- Im Falle von Gaza dürften die Drohungen kaum wirken, sagen Nahost-Experten.
- Die ausgehandelte Waffenruhe sei fragil, das liege aber nicht nur an einer Seite.
Ohne Waffenruhe werde die «Hölle» im Gazastreifen ausbrechen. Mit diesen Worten drohte Donald Trump vor seinem Amtsantritt den Akteuren im Nahen Osten.
Tatsächlich kam ein Deal zustande – laut Experten auch dank Trumps Äusserungen.
Wer Trumps Nahost-Politik verfolgt, erlebt nun ein Déjà-vu. Am Montag sprach der Republikaner nämlich schon wieder von einer potenziellen «Hölle» im Gazastreifen.
Diese werde ausbrechen, wenn bis am Samstag nicht alle israelischen Geiseln freikommen. Mit dem Ultimatum reagiert Trump auf das vorübergehende Aussetzen der Freilassungen durch die Hamas.
Israels Premier Benjamin Netanjahu reagierte ebenfalls empört auf die Hamas-Ankündigung. Er drohte mit dem Ende der Waffenruhe, sollten die Geiseln nicht bis am Samstag freikommen.
Im Fall des Waffenstillstands schien Donald Trump mit seiner klaren Ansage Erfolg zu haben.
Wird das jetzt auch bei den Geiseln so sein? Verstehen Terrororganisationen wie die Hamas vielleicht nur die Sprache der Drohungen?
Drohungen von Donald Trump bringen weitere Radikalisierung
Nahost-Experte Carsten Wieland betont gegenüber Nau.ch zunächst, dass der US-Präsident nicht nur im Falle des Gazastreifens so auftritt.
«Trump arbeitet in allen Politikbereichen mit massiven Drohungen. Insofern ist das eine Frage des Politikstils.»
Zudem zweifelt Wieland an der Effektivität der Hölle-Drohungen. «Was kann noch zerstörerischer sein für die Palästinenser im Gazastreifen als die letzten anderthalb Jahre?», fragt der Experte rhetorisch.
![Carsten Wieland](https://c.nau.ch/i/AevPnN/900/carsten-wieland.jpg)
Wieland glaubt nicht, dass die Drohungen von Donald Trump für die leidenden Menschen eine neue Dimension haben.
Im schlimmsten Fall könnten die Äusserungen aus Washington sogar kontraproduktiv sein. Die Menschen hatten sich zuvor auf die Waffenruhe gefreut, so Wieland. «Jetzt greift wieder das Narrativ der Hamas der ultimativen Aufopferung.»
Dieses werde erneut radikalisieren und traumatisieren, warnt der Experte. «Der Hamas sind Menschenleben egal. Sie gewinnen die Narrative, auch jenseits des Gazastreifens im globalen Süden.»
Freilassungsstopp aus Hamas-Sicht «logisch»
Andreas Böhm von der Universität St. Gallen glaubt auch nicht, dass die Drohungen von Donald Trump einen grossen Effekt haben. Genauso wenig wie diejenigen von Benjamin Netanjahu.
Die Hamas gehe davon aus, dass Netanjahu den Krieg ohnehin fortsetzten will, so der Nahost-Experte.
«Aus Sicht der Hamas ist es ebenso logisch, wie aus neutraler Sicht zynisch, dass sie unter diesen Voraussetzungen keine weiteren Geiseln freilassen wollen.»
Israelischer Regierung droht der Bruch
Dass der Zeitplan mit der Freilassung bis Samstag jetzt noch eingehalten werden kann, sei unwahrscheinlich, sagt Wieland.
Ohnehin sei das Waffenruhe-Abkommen fragil. Die Schuld liege aber nicht nur bei der Hamas, sagt Wieland.
Nach der erzielten Einigung müsste nun eigentlich die zweite Phase des Deals kommen – aber: «Die israelische Regierung scheint kein Interesse zu haben, die zweite Stufe der Verhandlungen einzuleiten.»
Die Krux: Die Koalition von Benjamin Netanjahu könnte zerbrechen, wenn es weitere Verhandlungen gibt.
Die radikalen Kräfte in der Regierung, die mit ebendiesem Bruch drohen, werden durch Trumps Äusserungen gestärkt.
Beispielsweise die Aussage über die «freiwillige Umsiedlung» der Palästinenser gibt diesen Kräften Aufwind.
Ähnlich äussert sich auch Böhm. Die Hamas werfe Israel vor, sich nicht an das Abkommen zu halten. So mache Israel keine Anstalten, ernsthaft über die zweite Phase des Deals verhandeln zu wollen.
«Nun gibt es Anzeichen, dass Netanjahu von Beginn an kein Interesse hatte, in die zweite Phase überzugehen. Schon gar nicht, nachdem Donald Trump ihm implizit grünes Licht zur ethnischen Säuberung des Gazastreifens gegeben hat», sagt Böhm.
Experte: «Abkommen wird immer politischer und fragiler»
Im Januar haben sich Israel und die Hamas auf eine 42-tägige Waffenruhe geeinigt. Es wurde auch ein Gefangenenaustausch vereinbart.
In dieser vorübergehenden Konfliktpause sollen zudem die Bedingungen der zweiten Phase geklärt werden.
Ob das gelingt, ist fraglich. «Wie jeder Kompromiss ist die Waffenruhe von politischem Willen bei der Umsetzung abhängig», sagt Wieland.
Problematisch sei, dass es gegenseitige Schritte auf mehreren Stufen brauche. Dazu würden mehrere kritische Fragen nach hinten geschoben.
![Donald Trump Benjamin Netanjahu](https://c.nau.ch/i/JMQw0l/900/donald-trump-benjamin-netanjahu.jpg)
Wieland führt aus: «Das heisst, das Abkommen wird nach hinten hinaus immer politischer und daher fragiler.»
Böhm betont, dass die Hamas militärisch zwar am Boden sei. Man müsse sie aber politisch ausschalten. Diese Perspektive fehlt.
Auch, weil Israel bisher keine Lösung für den «Tag danach», also für die langfristige Zukunft Gazas, zugelassen habe.