Donald Trump und Joe Biden: Darf man über alles Witze machen?
Obwohl Donald Trump bei einem Attentat beinahe getötet wird, lacht das Netz schon Stunden später darüber. Auch Joe Biden wird verspottet. Wo sind die Grenzen?
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Attentat auf Donald Trump kursieren online Memes und Witze über das Geschehene.
- Noch-Präsident Joe Biden wird auf Social Media wegen seines Alters als tot verspottet.
- Ein Experte erklärt, wann es aus ethischer Sicht zu weit geht.
Mitte Juli wird Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im Swing State Pennsylvania beinahe getötet. Ein Schuss des 20-jährigen Attentäters trifft ihn am Ohr, weitere verfehlen den Ex-US-Präsidenten knapp. Ein Anhänger stirbt, zwei weitere werden schwer verletzt.
Auf Social Media kursieren in den Stunden und Tagen nach dem gescheiterten Mordversuch nicht nur Theorien über Motive und Drahtzieher. Viral gehen auch Witze, Memes und Videos, in denen man sich über den Angriff lustig macht.
Eine Woche nach dem Trump-Aufreger zieht sich der amtierende Präsident Joe Biden aus dem Wahlkampf zurück. Auch über ihn machen sich viele lustig. Im Zentrum stehen vor allem das Alter des 81-Jährigen und seine zuletzt häufiger gewordenen Fehltritte.
Wie weit darf der Humor – gerade bei einem Mordversuch und gesundheitlichen Themen – gehen?
Auch Donald Trump verdient Würde
Für Peter G. Kirchschläger, Ethik-Professor an der Universität Luzern, ist klar: «Politische Kritik und Satire sowie die ihnen zugrunde liegende Freiheit müssen möglich sein sowie geschützt und garantiert werden.» Sie seien für Demokratien und einen liberalen Rechtsstaat essenziell.
Die Scherze über Donald Trump gingen aber ethisch zu weit, wenn beispielsweise das Attentat positiv bewertet oder gelobt wird. «Oder wenn sie sich seinen Tod herbeiwünschen.»
Das erweise sich als ethisch inakzeptabel, weil zum einen ein solcher Akt der Gewalt verabscheuungswürdig sei. «Und weil zum anderen auch Donald Trump als Mensch und in seiner Menschenwürde zu respektieren ist.»
Die Konsequenzen von Sprüchen, die diese Grenze überschreiten, hat etwa die Band Tenacious D um Hollywood-Star Jack Black gespürt. Bandmitglied Kyle Gass wünschte sich an seinem Geburtstag: «Verfehle Trump beim nächsten Mal nicht.» Die Band musste nach einem Shitstorm schliesslich ihre Tour abbrechen.
Dem deutschen Satiriker und Influencer «El Hotzo» wurde vom Sender RBB gekündigt. Auch er machte Sprüche darüber, wie bedauerlich es sei, dass der Attentäter sein Ziel «verfehlt» habe. Er hätte Trump gerne tot gesehen.
Trump bietet auch sonst «genug Stoff für Kritik»
Jedem Menschen stehe «bedingungslos und voraussetzungslos» Menschenwürde zu, betont Ethiker Kirchschläger. Das gelte ebenso für Donald Trump, auch wenn dieser die Würde anderer Menschen wiederholt verletze. Der 78-Jährige biete aber auch sonst «genug Stoff für Kritik, Satire und Scherze».
Kirchschläger wünscht sich, «dass Trumps ethisch höchst problematische Doppelbödigkeit mehr im Fokus der Kritik und Satire stünde».
Schliesslich mache er Politik für Superreiche, während dem er behauptet, sich für die Menschen mit wenig Einkommen und Vermögen einzusetzen. Das vergifte eine Demokratie, sagt der Ethik-Professor.
«Biden hat nicht den gleichen Schutz wie wir»
Und wie sieht es mit den Toten-Witzen über Joe Biden aufgrund seines Alters und Zustands aus (siehe Galerie unten)?
Gerald Weber kennt sich mit Humor bestens aus – er ist Geschäftsführer des Improvisationstheaters «anundpfirsich» in Zürich. Für ihn ist klar: «Grundsätzlich dürfen Witze über alles gemacht werden. Diese dürfen aber auch offen als geschmacklos und nicht lustig empfunden und tituliert werden.»
Beim US-Präsidenten handle es sich um eine Person der Öffentlichkeit, sagt Weber. «Er hat dadurch nicht den gleichen Schutz wie wir.» Sein Alter sei nun mal ein Thema, das die Öffentlichkeit beschäftige, «deshalb darf sie daraus Humor machen».
Anders seien beispielsweise die Drogenprobleme seines Sohns Hunter: «Diese sind für die Eignung der öffentlichen Person irrelevant.»
Biden habe jetzt, solange er im Amt ist, kaum Privatanteile, findet Weber. So lange könne man ruhig auch Witze machen. Immerhin sei es eine relevante und berechtigte Frage, ob Biden geistig fähig sei, das Amt auszuüben.
Schauspieler, Regisseur und Moderator Weber erklärt die viralen Witze und Memes so: «Humor ist fast immer die Auflösung von Anspannungen. Die Frage, ob sich Biden aus dem Präsidentschaftsrennen zurückzieht, hat für eine solche Anspannung in der Gesellschaft gesorgt. Nun wurde sie mit der Bekanntgabe gelöst. Die Memes kann man als eine gesellschaftliche Entladung verstehen.»
Auch beim Attentat auf Donald Trump sei eine gewisse Anspannung entstanden, die durch Memes, Kommentare etc. aufgelöst wurde.
Diese Memes seien pietätlos gewesen, findet Weber. Sie hätten mit dem Trump zugefügten Schaden gespielt. «Und vor allem mit einem Ereignis, das Trump widerfahren ist, nicht einem, in dem er aktiv gehandelt hat.»