Hat Bob Woodward mit Publikation aus Egoismus abgewartet?
Der Enthüllungsjournalist Bob Woodward wartete rund ein halbes Jahr, bevor er pikante Informationen über Trump und das Coronavirus freigab. Aber warum bloss?
Das Wichtigste in Kürze
- Der ehemalige Journalist Bob Woodward publiziert pikante Aussagen von Donald Trump.
- Darin ging es um die Verharmlosung vom Coronavirus und der Pandemie.
- Warum Woodward solange mit der Publikation wartete, erklärt ein Politikwissenschaftler.
Der ehemalige Journalist Bob Woodward hat eine turbulente Karriere hinter sich. Er gilt in den USA als Legende, gemeinsam mit Carl Bernstein deckte er den Watergate-Skandal auf. Dieser kostete den Präsidenten Richard Nixon 1974 das Amt.
Über 45 Jahre später deckt Woodward den nächsten grossen Präsidenten-Skandal auf. Präsident Donald Trump hat die Gefahr des Coronavirus absichtlich heruntergespielt. Dies geht aus satten 18 Interviews mit Woodward hervor, welche am Mittwoch veröffentlicht wurden. Das passende Buch dazu erscheint kommende Woche unter dem Titel «Rage».
Trump war bereits Anfang Februar über die schwerwiegenden Folgen der damals drohenden Pandemie informiert. Und hat diese absichtlich verharmlost. Woodward war bereits Anfang Februar über Trumps Wissen und seine Lügen informiert.
Bob Woodward had my quotes for many months. If he thought they were so bad or dangerous, why didn’t he immediately report them in an effort to save lives? Didn’t he have an obligation to do so? No, because he knew they were good and proper answers. Calm, no panic!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) September 10, 2020
Daher stellt Trump eine berechtigte Frage: «Wenn diese Informationen so schlecht oder gefährlich waren, wieso hat er sie nicht schon früher veröffentlicht?»
«Woodward möchte Geschichte schreiben»
Gute Frage, nächste Frage. Schliesslich ist ja eine ausgewachsene Pandemie im Gange. Louis Perron, Politikwissenschaftler und Consultant, hat eine simple Antwort auf Trumps Frage: «Woodward will nicht die Headline des Tages sein, er möchte Geschichte schreiben.»
Klingt auf den ersten Blick nach Geltungsdrang und Geldgier? «Es geht immer um Geld und Egom sicher. Woodward möchte aber auch die Wahrheit erzählen, die Berufsethik nimmt er sehr ernst.» Und ausserdem: Damals habe man das tatsächliche Ausmass des Virus noch gar nicht abschätzen können.
Perron erläutert: Nun erkennt man die Reichweite und die Schwere der Pandemie. «Zu einem früheren Zeitpunkt wäre es einfach eine Stimme eines einzelnen Journalisten gewesen.» Nun sind es Fakten.
Buch wird keinen Einfluss auf die Wahlen haben
Man könnte annehmen, Woodword habe den richtigen Zeitpunkt vor den Wahlen abgewartet, um Trump richtig eine reinzuwürgen. Perron widerspricht: «Das Buch wird ‹zero impact› auf die kommenden Wahlen haben.»
Trump polarisiere so sehr und das Land sei so gespalten, dass das Buch und dessen Bedeutung nach ein paar Tagen schon wieder vergessen sei. Zumindest bei der Wählerschaft, die man umstimmen wollte, falls dies der Plan wäre.
Auch wenn Woodwards Buch in den vergangenen Tagen hohe Wellen geschlagen hat, ist es längst nicht das erste Werk, dass in Sachen Trump aus dem Nähkästchen plaudert. Erst vergangene Woche erschien ein Buch von Michael Cohen, langjähriger Anwalt von Trump. Auch Trumps Nichte und der Ex-Sicherheitsberater John Bolton enthüllten pikante Details.
Wirklich bemerkenswert sei eher, dass Präsident Trump ganze 18 Interviews mit Woodward geführt hatte, findet Perron. «Wer hätte diese Menge an Interviews mit Bob Woodward, einem Enthüllungsjournalisten, gemacht? Dazu noch in einem Wahljahr.» Das zeige vor allem auf, wie wenig Ahnung Trump von Woodward und seiner Arbeit habe.