US-Wahlen: Claude Longchamp zieht eine erste Bilanz
Das Rennen um die US-Wahlen bleibt bis zum Schluss ein absoluter Krimi. Politologe Claude Longchamp über diktatorische Züge und geniale Wahlkämpfer.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Rennen um die US-Präsidentschaft ist noch in vollem Gange.
- Donald Trump hat sich vorzeitig zum Wahlsieger gekürt.
- Politologe Claude Longchamp analysiert das knappe Rennen.
«Wir gewinnen alles!» Obwohl das Rennen um die US-Präsidentschaft noch in vollem Gange ist, erklärt sich Präsident Donald Trump vorzeitig zum Wahlsieger. Ein «No-Go», empören sich Schweizer Politiker.
Politologe Claude Langchamp findet klare Worte: «Es erinnert an eine Diktatur, wenn sich ein amtierender Präsident zum Wahlsieger kürt.» Hier sei ein grundlegender demokratischer Prozess gebrochen worden.
Nau.ch blickt auf eine bewegte Nacht zurück.
«Trump ist ein genialer Wahlkämpfer»
Umfragen im Vorfeld der US-Wahlen und auch Wettbörsen gingen mehrheitlich von einem Sieg Joe Bidens aus. Auch Claude Longchamp nannte einen Trump-Sieg letzte Woche noch «eher unwahrscheinlich».
Doch die Wahlnacht wurde zur Nervenschlacht um das Weisse Haus. Gerade in den umkämpften Swing States holt sich Donald Trump mächtig viele Elektorenstimmen. Warum lagen so viele total daneben? Beim Popular Vote, bei uns vergleichbar mit dem Volksmehr, hat Biden wie erwartet eindeutig gewonnen.
Schwieriger vorauszusagen sind gemäss Longchamp hingegen die Elektorenstimmen. «Trump ist ein genialer Wahlkämpfer.» Vor wenigen Wochen lag er wegen Corona noch im Krankenhaus. «Doch das hat er auf eine verblüffende Art und Weise weggesteckt.»
In den letzten drei Wochen brachte er – trotz Rekordzahlen von Coronainfizierten – viel Enthusiasmus in den Wahlkampf. «Etwas, das seinem Widersacher tatsächlich gefehlt hat.»
Volksmehr verliert bei US-Wahlen an Bedeutung
Am meisten überrascht hat den Politologen der Ausgang in der demokratischen Hochburg Miami. Trump holte sich in Florida noch den höheren Stimmenanteil als vor vier Jahren an den US-Wahlen gegen Hillary Clinton. Der grosse Unterschied: «Die Latinos, vor allem Kubaner, haben offensichtlich sehr stark zu Trump gehalten.»
Gemäss Longchamp zeichnet sich immer deutlicher eine Optimierung des Wahlkampfes ab. Dass Kandidaten nicht mehr auf eine Volksmehrheit zielen, sondern auf die Elektorenstimmen. «Das können die Republikaner ganz offensichtlich besser.»
Noch ist das Rennen an den US-Wahlen offen – Biden kann auf Staaten wie Pennsylvania, Michigan und Wisconsin hoffen. Gerade im wichtigen Pennsylvania könnte die Auszählung noch bis Freitag andauern. Doch was, wenn Trump schlussendlich doch verliert?
Drei Szenarien für eine Niederlage Trumps
Der Politologe sieht bei einer Niederlage Trumps drei mögliche Szenarien. «Das Wichtigste war stets eine verbale Attacke auf den Gegner, und die ist bereits passiert.» Zweitens eine juristische Infrage-Stellung des Ergebnisses. So passiert bereits im Jahre 2000, als George Bush zum Präsidenten gewählt wurde.
Die Stimmauszählung in Florida dauerte über einen Monat, am Ende lag Bush vor Konkurrent Al Gore. Auch nach der höchstrichterlichen Überprüfung durch den Supreme Court blieb der Wahlausgang umstritten. Diese Überprüfung könnte auch heuer wieder gefordert werden.
Letztes Szenario: Trump wird sich weder zum Sieger noch Verlierer erklären und übergibt seine Amtsgeschäfte dem Vizepräsidenten.