Wegen Mordes an Kindern verurteilt – Mutter nach 20 Jahren begnadigt
2003 wurde Kathleen Folbigg wegen Mordes an ihren vier Kindern verurteilt – zu Unrecht. Gestern wurde die «schlimmste Serien-Killerin Australiens» begnadigt.
Das Wichtigste in Kürze
- 2003 wird eine Australierin wegen dreifachen Mordes und einfachen Totschlags verurteilt.
- Die Frau soll über einen Zeitraum von zehn Jahren ihre eigenen Säuglinge ermordet haben.
- Eventuell sind die Kinder eines natürlichen Todes gestorben, wie neue Ermittlungen zeigen.
Es ist eine schier unglaubliche Geschichte: 2003 wird eine Australierin wegen vierfachen Mordes an ihrem eigen Fleisch und Blut zu 30 Jahren Haft verurteilt. Über einen Zeitraum von zehn Jahren soll Kathleen Folbigg ihre vier Kinder im Säuglingsalter getötet haben.
Sie beteuert stets, dass sie unschuldig sei – berechtigterweise, wie sich nun herausstellt: Nach gut zwanzig Jahren im Gefängnis wird die heute 55-Jährige begnadigt. Offenbar bestehen «erhebliche Zweifel» an ihrer Schuld.
Vier Kindstode zwischen 1989 und 1999
Die Kinder waren alle über einen Zeitraum von zehn Jahren im Alter zwischen 19 Tagen und 19 Monaten plötzlich gestorben. Der Fall hatte für viel Aufsehen gesorgt. Die Mutter wurde damals von den Medien als «schlimmste Serien-Killerin Australiens» betitelt.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse hätten jetzt aber ergeben, dass die zwei Jungen und zwei Mädchen möglicherweise eines natürlichen Todes gestorben seien. Dies sagte der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates New South Wales, Michael Daley, am Montag.
Seltene genetische Mutation?
Eine neue Untersuchung war eingeleitet worden, nachdem festgestellt wurde, dass die Frau ihren Töchtern eine seltene genetische Mutation vererbt hatte. Diese kann zu Herzrhythmusstörungen und zum plötzlichen Kindstod führen.
Fast 100 Wissenschaftler und Ärzte hatten sich daraufhin mit einer Petition dafür eingesetzt, den Fall neu aufzurollen. Darin hatten sie mögliche medizinische Gründe für jeden der vier Todesfälle aufgeführt.
Der frühere oberste Richter, Tom Bathurst, der die Untersuchung leitete, erklärte: «Ich bin zur festen Überzeugung gelangt, dass begründete Zweifel an der Schuld von Frau Folbigg bestehen.» Dies gelte für jeden der Fälle, für welche sie ursprünglich verurteilt wurde. So soll einer der Söhne möglicherweise an einer neurogenetischen Erkrankung wie Epilepsie gestorben sein.
Beim ursprünglichen Prozess handelte es sich um ein reines Indizienverfahren, bei dem sich die befragten Experten nicht einig waren. Die Anklage hielt es damals für unwahrscheinlich, dass gleich vier Kinder eines natürlichen Todes starben.
Die damaligen Tagebucheinträge der Mutter, die als Schuldeingeständnis gewertet wurden, seien wahrscheinlich der Trauer und Verzweiflung der Frau geschuldet gewesen.
Schwacher Trost: Millionenschwere Abfindungszahlung?
Ihre erste Nacht in Freiheit verbrachte Folbigg auf dem Tiertherapie-Bauernhof einer Freundin, wie der «Sydney Morning Herald» am Dienstag berichtet. Die Freuden von Flachbild-Fernsehern, Smartphones, Likör und Pizza dürften angesichts der Strapazen, die hinter der Frau liegen, allerdings verblassen.
Künftig könnte Folbigg ein Zivilverfahren gegen den Staat in Erwägung ziehen. Noch sei es dafür allerdings zu früh: «Kathleen gewöhnt sich jetzt erstmal an das normale Leben. Wir nehmen einen Schritt nach dem anderen», erklärt eine Anwältin der Frau.
Zu «gegebener Zeit» würde Folbigg aber sicherlich über alle Optionen nachdenken, die für sie infrage kämen, so die Anwältin. Gemäss einem Experten, der in der australischen Zeitung zitiert wird, könnte es dabei wohl um mehrere Millionen Dollar gehen.