Airlines im Krisenmodus - Umsatzeinbruch um fast die Hälfte
Der Stillstand der Luftverkehrsindustrie ist überall zu greifen und die Prognosen werden immer düsterer. Die Airlines halten einstweilen ihre Barmittel beisammen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Corona-Pandemie hat die internationalen Fluggesellschaften nach Auffassung ihres Dachverbandes IATA in die schlimmste Krise ihrer Geschichte gestürzt.
Im laufenden Jahr könnten die Umsätze weltweit um bis zu 44 Prozent des Vorjahresvolumens einbrechen, wie der Verband am Dienstag in Genf mitteilte. Rund 2,7 Millionen Jobs stünden in der Industrie auf dem Spiel, warnte IATA-Generalsekretär Alexandre de Juniac und verlangte massive Finanzhilfen.
Die möglichen Umsatzeinbussen bezifferte der Verband auf bis zu 252 Milliarden Dollar (233 Mrd Euro) und pulverisierte damit Vorhersagen, die erst wenige Tage alt waren. Die schlimmsten Rückgänge seien in der Region Asien-Pazifik mit minus 88 Milliarden Dollar und Europa mit minus 76 Milliarden Dollar zu erwarten.
Zwar sei 2021 mit einer deutlichen Erholung zurechnen, sagte IATA-Chefökonom Brian Pearce. Aber die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 gehe mit einer Rezession einher, was die Erholung verlangsame. Deshalb sei ein Aufschwung eher in Form einer U-Kurve als einer V-Kurve zu erwarten.
«Auf uns kommt mit rasantem Tempo eine Liquiditätskrise zu», sagte de Juniac. Das Frachtgeschäft laufe zwar eigentlich, und sei gerade in der Krise wichtig, um medizinisches Material zu befördern. Frachtmaschinen und Besatzungsmitglieder seien aber von den Reisebeschränkungen betroffen. Er appellierte erneut an Regierungen, die Frachtmaschinen schnellstens abzufertigen.
Europas grösste Billig-Airline Ryanair hat alle Flüge für mindestens zwei Monate gestoppt. Das Unternehmen gehe derzeit davon aus, dass keine Flüge im April und Mai stattfinden werden, teilte Ryanair-Chef Michael O'Leary in Dublin mit. Letztlich hänge das aber von den Regierungsanweisungen ab. Niemand wisse, wie lange die Pandemie dauern werde. Ryanair steht laut O'Leary aber bereit, gestrandete Passagiere zurückzufliegen oder sich zum Beispiel an Medikamenten-Lieferungen zu beteiligen.
Die Lufthansa-Gruppe erstattet stornierte Tickets nicht mehr auf Knopfdruck. Das Unternehmen hat in den professionellen, vor allem von Reisebüros genutzten Buchungssystemen die Erstattungsfunktion ohne Vorankündigung abgestellt. Dies bedeute aber nicht, dass man keine Erstattungen mehr zahlen wolle, erklärte eine Sprecherin am Dienstag in Frankfurt. Wegen des sprunghaften Anstiegs der Fallzahlen in der Corona-Krise müsse man die Fälle später bearbeiten. Zuerst hatte das Portal «Travel Inside» über die Massnahme berichtet, die bei Reisebüros für Unruhe gesorgt hat.
Auch Ryanair bat seine Kunden um Geduld bei Stornierungen. Man habe wegen der Corona-Prophylaxe das Verwaltungspersonals um rund die Hälfte reduzieren müssen. Die Ticketinhaber würden in den kommenden «ein bis zwei Wochen» per Mail über die bestehenden Möglichkeiten informiert.
Der vergleichsweise niedrige Aktienkurs der Lufthansa könnte ihrem Chef Carsten Spohr entgegenkommen. Er hatte laut einer Pflichtmitteilung an die Börse am vergangenen Freitag für knapp 250 000 Euro Aktien seines Unternehmens erworben. Dazu war er allerdings nach den Vergütungsrichtlinien des Dax-Konzerns verpflichtet.
An Europas Himmel finden derweil immer weniger Flüge statt. Am Montag gab es laut Eurocontrol nur noch 6 837 kontrollierte Flüge und damit weniger als ein Viertel eines vergleichbaren Tages im vergangenen Jahr. Der Rückgang betrug 75,9 Prozent und war damit so stark wie noch nie seit Beginn der Krise, wie die Flugsicherungs-Koordination in Brüssel mitteilte.
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) reagierte auf den geringeren Bedarf nach Fluglotsen mit einem «Corona-Tarifvertrag» mit ihrer Hausgewerkschaft GdF. Danach darf für Lotsen und andere Tarifbeschäftigte eine Minderarbeit von bis zu 300 Stunden angeordnet werden, was rund 40 Arbeitstagen entspricht. Die Beschäftigten müssen diese Zeiten dann in den kommenden fünf Jahren zur Hälfte nacharbeiten. Das sei flexibler als Kurzarbeit, erklärte DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle.
Am grössten deutschen Flughafen in Frankfurt war die Passagierzahl in der zwölften Kalenderwoche des Jahres (16. bis 22. März) um 73,5 Prozent auf 331 353 Menschen eingebrochen. Das Frachtvolumen fiel um rund ein Fünftel auf 36 591 Tonnen, wie Betreiber Fraport mitteilte. Die Anzahl der Flugbewegungen sank um rund 58 Prozent auf 3960. Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg schickte ihre 2200 Mitarbeiter in Kurzarbeit.