Brexit

Keine Partystimmung zum Brexit

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Belgien,

Nun gibt es kein Zurück mehr: Grossbritannien verlässt in der Nacht zum Samstag die Europäische Union. Mehr als dreieinhalb Jahre nach dem Brexit-Votum der Briten wird der EU-Austritt Realität.

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Grossbritannien verlässt am Freitag die EU. Foto: Kirsty Wigglesworth/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Weg für den Brexit ist endgültig frei.

Die Europäische Union schloss die Ratifizierung des Austrittsabkommens ab, wie der Rat den Mitgliedsstaaten mitteilte.

In der Nacht zum Samstag wird Grossbritannien die EU somit nach fast 50 Jahren verlassen. Doch der Streit um den Brexit ist damit nicht beendet. London und Brüssel steht ein schwerer Weg bevor.

Erst jetzt können die Gespräche über die künftigen Beziehungen beginnen. In einer elfmonatigen Frist soll geklärt werden, wie es ab 2021 im Handel und auf anderen Feldern weitergeht. Kritiker halten den Zeitraum für viel zu kurz. «Bis Ende 2020 werden wir nicht alle Bereiche im Detail regeln können», warnte Bundesaussenminister Heiko Maas im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Gefahr eines Brexit-Chaos zum Jahresende ist nicht vom Tisch.

Der historische Moment am späten Freitagabend (23 Uhr britische Zeit, 24 Uhr MEZ) wird in London nur mit schmalem Programm begangen. Man wolle die Brexit-Gegner nicht vor den Kopf stossen, begründete das Premierminister Boris Johnson. Nur eine Lightshow, Union-Jack-Fahnen und eine Rede des Premiers sollen den Schritt begleiten. Kein Feuerwerk, nicht einmal das Londoner Wahrzeichen Big Ben soll läuten. Denn die britische Gesellschaft ist tief gespalten. Jüngsten Umfragen zufolge sind noch immer 53 Prozent der Briten für einen Verbleib in der EU und 47 Prozent für den Austritt.

Seine Verhandlungsziele für die künftigen Beziehungen will der Premier britischen Medien zufolge nächste Woche vorstellen. Souveränität sei wichtiger als reibungsloser Handel, will er laut «Telegraph» (Donnerstag) in seiner Rede betonen. Der Bruch zwischen London und Brüssel soll viel klarer ausfallen als unter Johnsons Vorgängerin Theresa May geplant. Er will sein Land von der Anbindung an EU-Regeln frei machen und die Verbindungen weitgehend kappen.

Die EU-Kommission fordert indes eine möglichst enge Anbindung an EU-Standards. Unfaire Subventionen sowie Sozial- oder Umweltdumping dürfe es nicht geben, fordert auch Maas. Davon soll abhängen, wie weit Grossbritannien Zugang zum Binnenmarkt bekommt. Ein Vorschlag zur EU-Verhandlungslinie soll am Montag vorliegen, er muss dann noch von den 27 bleibenden Staaten gebilligt werden. Ende Februar oder Anfang März geht es dann wirklich an den Verhandlungstisch. Dort haben beide Seiten nach dem Austrittsantrag 2017 schon mehr als zwei Jahre um den Scheidungsvertrag gerungen.

Auf britischer Seite war schon der Weg zu diesem Abkommen enorm steinig. «Brexit bedeutet Brexit», befand die damalige Premierministerin May. Doch was Brexit bedeuten sollte, wusste eigentlich niemand genau. Es folgte ein epischer Machtkampf zwischen den Staatsgewalten: Parlament gegen Regierung. Auch vor den Gerichten wurde der Streit ausgetragen. In erster Linie ging es darum, einen ungeregelten No-Deal-Brexit zu verhindern. Doch der Deal der Premierministerin fand keine Mehrheit. Am Ende musste May gehen, Johnson gewann im Dezember die Wahl und setzte sein nachverhandeltes Abkommen schliesslich im Parlament durch.

Zentraler Punkt im Austrittsvertrag ist eine Übergangsfrist bis zum Jahresende, in der sich im Alltag fast nichts ändert. Grossbritannien bleibt in der Zeit im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Doch gibt es kein Anschlussabkommen, drohen erhebliche Handelshemmnisse.

Neben der Klärung der künftigen Beziehungen zur EU hat Johnson noch ganz andere Sorgen: Grossbritannien ist zerrissen. Vor allem in Schottland, aber auch in den Landesteilen Wales und Nordirland wächst die Wut auf die Regierung und das Streben nach Unabhängigkeit.

Die EU verliert mit dem Brexit ihre zweitgrösste Wirtschaftsmacht und ihren viertgrössten Beitragszahler. Mit den Briten verabschiedet sich ein ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und eine schlagkräftige Militär- und Nuklearmacht aus dem Kreis der EU-Staaten. In Brüssel überwiegt der Trennungsschmerz. Am Donnerstag gab es Abschiedsfeiern auf dem Grand Place und im Europaviertel.

Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley sagte der Deutschen Presse-Agentur, sie werde sich am Freitagabend entweder alleine verkriechen - oder mit Gleichgesinnten trauern. Zuvor wollte sie noch nach London reisen: «Ich werde entweder mit britischen Verwandten und Freunden mich betrinken ... Darf man das sagen? Ich werde auf jeden Fall echt trauern.» Barleys Vater ist Brite, die Mutter Deutsche.

Besonders betroffen vom Brexit sind die vielen EU-Ausländer, die in Grossbritannien leben. «Ich gehe von mindestens 3,8 Millionen EU-Ausländern aus, darunter etwa 140.000 Deutsche», sagte Maike Bohn, Sprecherin der Organisation «the3million» der Deutschen Presse-Agentur. Sie können sich zwar recht unkompliziert um ein Bleiberecht bewerben, doch das System hat Tücken und nicht jeder vertraut auf eine sorgenfreie Zukunft.

Zu den bekanntesten Brexit-Gegnern gehört Steve Bray, auch als «Mr. Stop Brexit» bekannt. Mit seiner Flüstertüte und Protestschildern kämpft der Waliser seit langem lautstark vor dem Parlament in London gegen die Trennung von der EU. Auf seinem Hut steht nun nicht mehr «Stoppt den Brexit», sondern «Warum Brexit?». Aufgeben will der 50-Jährige nicht. «Ich bin überzeugt davon, dass sich Grossbritannien wieder der EU anschliessen wird», sagte er der dpa. «Die Frage ist nicht ob, sondern wann, vielleicht in fünf oder zehn Jahren.»

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