Brexit: Optionen schwinden - Vorgeschmack auf das Chaos
Das Wichtigste in Kürze
- Grossbritannien scheidet im Januar aus der Zollunion und dem EU-Binnenmarkt aus.
- Ein ungeregelter Brexit könnte für die Wirtschaft schwerwiegende Folgen haben.
- Eine Lösung zwischen der EU und Grossbritannien scheint unwahrscheinlich.
Wenige Tage vor Ende der Übergangsphase des Brexit wird der Spielraum immer enger. Den wirtschaftlichen Bruch Grossbritanniens mit der Europäischen Union einigermassen glimpflich zu gestalten wird schwieriger. Bei den Gesprächen beider Seiten über einen Handelspakt war auch am Montag kein Fortschritt erkennbar.
Und selbst wenn noch ein Vertrag gelingen sollte, kann er nicht mehr ratifiziert werden. Schon jetzt bahnt sich in Grossbritannien ein Reise- und der Transportchaos an. Dies nicht nur wegen des Brexit, sondern auch wegen des mutierten Coronavirus.
Ungeregelter Brexit belastet Wirtschaft schwer
Grossbritannien scheidet nach dem EU-Austritt im Januar zum Jahreswechsel auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Der anvisierte Vertrag soll Zölle und Handelshemmnisse abwenden. Unterhändler beider Seiten hatten aber auch am Wochenende keinen Durchbruch erzielt. Sie verhandelten zwar am Montag weiter, doch eine vom Europaparlament allerletzte Frist für ein mögliches Abkommen war damit gerissen.
Eine Ratifizierung sei nun unmöglich, sagte der Chef der Brexit-Gruppe im Parlament, David McAllister. Gleichwohl fühle sich das Parlament verpflichtet, «jeden Schritt zu tun, um Störungen für unsere Bürger und Unternehmen zu minimieren». Die nächsten Schritte wolle er mit Parlamentspräsident David Sassoli klären.
Im Gespräch ist eine vorläufige Anwendung eines Handelsvertrags ohne Ratifizierung. Darüber entscheidet der Rat der EU-Staaten. Das Parlament sieht diese Option sehr kritisch, weil es keine echte Mitsprache mehr hätte. Einen ungeregelten Brexit wollen die meisten Abgeordneten aber auch nicht, da er die Wirtschaft schwer belasten würde.
Londons Bürgermeister fordert Fristverlängerung
Alternativ könnten beide Seiten eine Fristverlängerung vereinbaren. Bisher lehnt der britische Premierminister Boris Johnson dies strikt ab. Doch forderte der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour-Partei am Montag einen Kurswechsel. Das sei wegen der jüngsten Entwicklungen in der Coronavirus-Pandemie geboten, schrieb Khan auf Twitter.
Schon in den vergangenen Tagen hatten sich auf der britischen Seite des Eurotunnels und vor den Fährverbindungen lange Lastwagenstaus aufgebaut. Zum Teil wegen des Weihnachtsfrachtverkehrs, teils aber auch wegen der Unsicherheit vor dem Stichtag des Brexit. Seit dem Wochenende kommt nun die Abschottung der EU vor dem mutierten und besonders ansteckenden Coronavirus in Grossbritannien hinzu.
Frankreich und andere EU-Staaten haben die Grenzen zum Vereinigten Königreich geschlossen. Lastwagen können nicht mehr über den Ärmelkanal setzen. Das, wo normalerweise in der Vorweihnachtszeit etwa 10'000 Lastwagen täglich den Ärmelkanal überqueren.
Fischerei-Rechte sorgen für rote Köpfe
Britische Verbände fürchten Versorgungsengpässe. «Das ist eine Hauptversorgungsroute für frische Produkte in dieser Jahreszeit», warnte der Handelsverband «BRC». Denn auch vom Kontinent würden nur wenige Fuhrunternehmen ihre Fahrer nach Grossbritannien schicken. Der BRC forderte die britische Regierung und die EU zu einer pragmatischen Lösung auf.
Der britische Verkehrsminister Grant Shapps lehnte eine Verlängerung der Brexit-Übergangsphase jedoch erneut ab. «Das würde nur Öl ins Feuer schütten», sagte er der BBC. Schliesslich seien alle auf die Situation vorbereitet. «Wichtig ist, dass Unternehmen sich weiter vorbereiten, dass die Menschen vorbereitet sind», sagte Shapps.
Ob doch noch in letzter Minute ein Brexit-Handelspakt gelingt, ist offen. Beide Seiten schweigen offiziell zum Verhandlungsstand. Aus Verhandlungskreisen heisst es jedoch, die Lage sei ernst und ein Scheitern durchaus möglich. Knackpunkte waren zuletzt immer noch die künftigen Fangrechte von EU-Fischern in britischen Gewässern und die EU-Forderung nach gleichen Wettbewerbsbedingungen.