Seit Ausbruch der Pandemie ging in der Europäischen Union vieles auseinander - vor allem durch einseitige Grenzkontrollen. Zerbricht die Gemeinschaft daran? «Wir haben es selbst in der Hand», sagt Kommissionschefin von der Leyen der Deutschen Presse-Agentur.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bei einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments. Foto: Nicolas Landemard/Le Pictorium Agency via ZUMA/dpa
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bei einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments. Foto: Nicolas Landemard/Le Pictorium Agency via ZUMA/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Corona-Krise fürchtet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um den Zusammenhalt der Europäischen Union.
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Nach der Einführung von Grenzkontrollen habe man «in den Abgrund geschaut», sagte von der Leyen der Deutschen Presse-Agentur.

Sie warnte vor einer Vertiefung der wirtschaftlichen Kluft, vor allem mit Blick auf die Notlage Italiens. Doch betonte sie auch Fortschritte bei gegenseitigen Hilfen und kündigte eine gemeinsame Strategie für ein Ende der Kontaktsperren in den EU-Staaten an.

Mit Experten prüfe sie, «wann wir nach und nach die Massnahmen der "sozialen Distanz" wieder lockern könnten», sagte von der Leyen in dem dpa-Interview. «Das Entscheidende ist: Das darf nicht zu früh passieren, weil sonst das Risiko ist, dass das Virus wieder aufflackert. Andererseits muss es so schnell wie möglich gehen, damit unsere Wirtschaft nicht unnötig weiter leidet.» Wie lange das dauern werde, könne heute niemand präzise vorhersagen. Das müsse man von Woche zu Woche neu prüfen.

Die Grenzschliessungen einzelner EU-Staaten hätten das Coronavirus nicht aufgehalten, aber vielen Firmen sehr geschadet und wichtige Lieferketten in Europa unterbrochen, kritisierte von der Leyen. Dabei habe nur der Binnenmarkt die EU so wohlhabend und stark gemacht. Nun wachse die Erkenntnis wieder, dass jeder EU-Staat mit gegenseitiger Hilfe bessere Karten habe. «Deswegen liegt in dieser grossen Krise auch die Chance, dass sich Europa noch einmal neu erfindet», sagte von der Leyen.

Auf die Frage, ob die EU zerbrechen könnte, sagte die Kommissionschefin: «Wir haben es selbst in der Hand. Wir haben anfangs in den Abgrund geschaut, aber wir haben in dieser Krise auch wieder rasch das Positive und den Zusammenhalt gesehen.» Gegen Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der mehr Einsatz der Kommission gefordert hatte, wehrte sich von der Leyen. «Das Vertrauen der Mitgliedsstaaten ist da. Deswegen wurde die Kommission vom Rat mit der Exit-Strategie und dem Wiederaufbauplan betraut. Das spricht für sich.»

Auch einen Bericht des «Spiegel» über Pläne einer Anleihe der EU-Kommission zur Schuldenaufnahme wies sie zurück. «Da gibt es ganz klare rechtliche Grenzen, das ist nicht der Plan», sagte von der Leyen. «Daran arbeiten wir nicht.» Zum heftigen Streit der EU-Staaten über sogenannte Corona-Bonds - also eine gemeinsame Aufnahme von Schulden - äusserte sie sich zurückhaltend. Italien und andere Länder fordern dies, Deutschland und andere sind dagegen.

«Das Wort Corona-Bond ist ja eigentlich nur ein Schlagwort», sagte von der Leyen. «Dahinter steht doch eher die grössere Frage der Haftung. Und da sind die Vorbehalte in Deutschland, aber auch in anderen Ländern berechtigt.» Gleichzeitig mache sie sich Sorgen, dass sich die wirtschaftliche Kluft in der EU vertiefe. «Das Ziel Europas war es doch immer, dass wir wirtschaftlich zusammenrücken.»

Italien stecke unverschuldet in der Corona-Krise und sei wirtschaftlich schwer getroffen, so von der Leyen. Gesunde Unternehmen müsse man retten. «Da haben wir als Kommission vom Rat den Auftrag bekommen, den Wiederaufbauplan zu entwerfen, das ist jetzt die Schiene, auf der wir arbeiten», sagte von der Leyen.

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