Energiekrise: Mittelstand will Schutzschirm für Unternehmen
Die Stimmung im Mittelstand sei katastrophal, sagt ein Verbandschef. Die Firmen hätten es mit mehreren Krisen zu tun und bräuchten eine «Verschnaufpause».
Das Wichtigste in Kürze
- Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise fordert der Mittelstand einen Schutzschirm für Unternehmen.
Es sei analog zur Corona-Pandemie ein Härtefall-Fonds für Unternehmen notwendig, die besonders vom Energiepreis gebeutelt und international nicht mehr wettbewerbsfähig seien, sagte Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Die Energiepreise sind die Sorge Nummer 1 im Mittelstand.» Die Folgen eklatant steigernder Energiepreise seien unkalkulierbar. «Die Verdopplung bis Verdreifachung der Energiepreise hält auch die stärkste Volkswirtschaft nicht aus.»
Die Firmen gingen von weiteren hohen Energiepreissteigerungen aus. Viele Betriebe könnten dies nicht an die Kunden weitergeben. Die Stromsteuer müsse daher auf das europäisch zulässige Mindestmass gesenkt werden, so Jerger. Die Mehrwertsteuer sollte wie beim Gas auch beim Strom von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden. Ausserdem brauche es einen eigenen Industriestrompreistarif.
«Vertrauensverlust in Arbeit der Koalition ist gross»
Die Stimmung im Mittelstand sei «katastrophal», sagte Jerger. «Es ist eine Kombination aus hohen Rohstoffpreisen, aus stockenden Logistikketten, aus mangelnden Rohstoffen, den hohen Energiepreisen und der Erhöhung der Mindestlöhne, die dem Mittelstand zu schaffen macht. Grossunternehmen haben ganz andere Möglichkeit, durch grosse Mengen, die sie transportieren, Logistikketten zu beeinflussen. Das haben mittelständische Betriebe nicht. Die einen leiden unter Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel, die anderen unter den Rohstoffen, die dritten unter fehlenden Konsumenten.»
Jerger sagte weiter: «Der Vertrauensverlust in die Arbeit der Koalition ist gross. Es fehlen schnelle und gute und logische Massnahmen der Regierung, wie Privathaushalte und Unternehmen substanziell geholfen werden kann. Es fehlt der klare Kurs auf Jahre. Es fehlen relevante Krisengipfel, die alle wesentlichen Gruppen umfassen.»
Es dürfe keine weiteren Belastungen mehr geben. Die Unternehmensteuern müssten gesenkt werden. «Wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, ohne permanent am Existenzminimum rumzusegeln, eine Krisenzeit kurz durchzuhalten, zeigt das, dass etwas vorher schon schief ging.» Die Wirtschaft brauche eine «Verschnaufpause».
«Nicht genügend Zuwanderer aus Drittländern»
Jerger sagte weiter, es müsse einen Schub bei der Digitalisierung geben und viel weniger Bürokratie. «Es dauert in Deutschland viel zu lange, einen Wohnsitz anzumelden, eine Firma zu gründen, oder einen Firmensitz umzumelden. Das muss man alles digital machen können. In Estland können Sie das. «Und wir als grösste Wirtschaftsnation Europas schaffen es nicht, unser System so zu modernisieren, dass weniger Geld in überflüssiger Bürokratie - auch in den Sozialsystemen - versickert und stattdessen mehr Mittel für Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen.»
Ausserdem müsse das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nachgebessert werden. «Die Idee ist gut gemeint gewesen, aber aufgrund von hoher Bürokratie und schwieriger Anerkennung von ausländischen Qualifikationen besteht weiterhin die grosse Problematik, dass wir nicht genügend Zuwanderer aus Drittländern bekommen. Unsere Experten sprechen von gut 400.000 Arbeitskräften, die jedes Jahr kommen müssten. Davon sind wir weit entfernt.»