EuGH stuft Umgang von Taliban mit Frauen als Verfolgung ein
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stuft den Umgang der Taliban mit Frauen als Verfolgung ein, was eine Flüchtlingsanerkennung rechtfertigen kann.
Der Umgang der in Afghanistan herrschenden radikalislamischen Taliban mit Frauen ist dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge als Verfolgung einzustufen. Das könne eine Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen.
Bei der individuellen Prüfung des Asylantrags einer afghanischen Frau genügt es, wenn ein EU-Land lediglich ihr Geschlecht und ihre Staatsangehörigkeit berücksichtigt. Das entschied der EuGH am Freitag. Er beantwortete damit Fragen aus Österreich.
Verwaltungsgerichtshof in Österreich entscheidet über Klagen
In Österreich muss der Verwaltungsgerichtshof über die Klagen zweier Afghaninnen entscheiden. Die Frauen wenden sich gegen die Weigerung der österreichischen Behörden, sie als Flüchtlinge anzuerkennen und machen geltend, dass die Situation der Frauen in Afghanistan allein schon die Gewährung des Flüchtlingsstatus rechtfertige.
Der Verwaltungsgerichtshof wollte vom EuGH wissen, wie er das sieht. Er fragte auch, ob ein EU-Mitgliedsstaat einer afghanischen Frau allein aufgrund ihres Geschlechts Asyl gewähren könne.
Der EuGH antwortete nun, dass Zwangsverheiratung und der fehlende Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt schon für sich genommen als Verfolgung einzustufen seien. Zwangsverheiratung sei einer Form der Sklaverei gleichzustellen.
Einschränkungen für Afghanische Frauen
Andere Massnahmen wie die Pflicht, sich vollständig zu verhüllen sowie die Einschränkung des Zugangs zu Bildung, Beruf und ärztlicher Versorgung und der Ausschluss vom politischen Leben seien zusammengenommen auch Verfolgung. Afghanischen Frauen würden die mit der Menschenwürde verbundenen Grundrechte vorenthalten.
Bei der Prüfung des Asylantrags einer afghanischen Frau muss nicht festgestellt werden, dass sie bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen zu erleiden droht, wie der EuGH weiter erklärte. Es genüge, lediglich ihre Staatsangehörigkeit und ihr Geschlecht zu berücksichtigen. In den konkreten Fällen muss nun das österreichische Gericht entscheiden. Es ist dabei an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden.
Einzelprüfung der Gesuche
In der Schweiz erhalten Frauen und Mädchen aus Afghanistan seit Sommer 2023 in der Regel Asyl, doch wird jedes Gesuch einzeln geprüft. Das zuständige Staatssekretariat für Migration hatte die Praxis nach einer Empfehlung der Europäischen Asylagentur (EUAA) beschlossen.
Die Praxis gab im eidgenössischen Parlament wiederholt zu reden. Forderungen aus der SVP und der FDP, die Änderung der Asylpraxis gegenüber Afghaninnen rückgängig zu machen, wurden in beiden Kammern bisher abgelehnt.