Weil Russland gezielt die ukrainische Infrastruktur zerstört, muss im Land grossflächtig der Strom abgeschaltet werden. Derweil gilt im russisch besetzten Teil das Kriegsrecht. Die News im Überblick.
Menschen sitzen in einer Kiewer U-Bahn-Station, die als Luftschutzbunker dient.
Menschen sitzen in einer Kiewer U-Bahn-Station, die als Luftschutzbunker dient. - Emilio Morenatti/AP/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die massiven Schäden an ihren Energienetzen zwingen die Ukraine heute zu landesweiten Stromabschaltungen.
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Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Bürger seines kriegsgeplagten Landes zu Mithilfe auf.

«Wir werden alles tun, um die normale Energieversorgung unseres Landes wiederherzustellen», sagte er in seiner Videoansprache gestern Abend. «Aber es braucht Zeit und unsere gemeinsamen Anstrengungen mit Ihnen.» Nach jüngsten Angaben der Regierung in Kiew haben die russischen Raketen- und Drohnenangriffe in den vergangenen Tagen 40 Prozent der Energie-Infrastruktur beschädigt.

Selenskyj ging auch auf die Verhängung des Kriegsrechts in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine durch Präsident Wladimir Putin ein. Es sei ein Zeichen der Hysterie angesichts der drohenden russischen Niederlage. Der ukrainische Staatschef rief die Männer in den besetzten Gebieten auf, sich nicht in die russische Armee einziehen zu lassen.

Die russische Besatzungsmacht im Gebiet Cherson setzte Anstrengungen fort, die ukrainische Zivilbevölkerung auf sicher von Moskau beherrschtes Territorium auszusiedeln. Für die Ukraine ist heute der 239. Kriegstag seit Beginn der russischen Invasion. Eigentlich wäre an diesem Tag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kiew erwartet worden. Aus Sicherheitsgründen wurde die Reise aber kurzfristig verschoben.

Ein Tag fast ohne Elektrizität für die Ukrainer

Die Ukraine mache Fortschritte bei der Abwehr der russischen Drohnen iranischer Bauart, sagte Selenskyj. Allein im Oktober seien 233 Drohnen des Typs Schahed-136 abgeschossen worden. Leider seien aber auch gestern drei Objekte der Energieversorgung zerstört worden.

Selenskyj beriet mit seiner Regierung darüber, wie Ausfälle der beschädigten Netze im Winter vermieden werden können. Es werde daran gearbeitet, für die kritische Infrastruktur in Grossstädten, Städten und Dörfern mobile Stromquellen zur Verfügung zu stellen, sagte er.

Die Bevölkerung wurde aufgefordert, heute zwischen 7.00 und 22.00 Uhr Ortszeit (6.00 bis 21.00 Uhr MESZ) möglichst wenig Strom zu verbrauchen. Ausserdem werde zeitlich gestaffelt in jedem Gebiet der Strom bis zu vier Stunden lang abgeschaltet, teilte der Versorger Ukrenerho mit. Grund für die Einschränkungen sei Strommangel im System. «Wir schliessen nicht aus, dass wir mit dem Einsetzen der Kälte öfter um Ihre Hilfe bitten werden», hiess es.

«Bitte schalten Sie keine unnötigen Elektrogeräte ein!», bat auch Selenskyj. Umso kürzer werde die Zeit der Abschaltungen zur Netzstabilisierung sein.

Selenskyj an Ukrainer: Lasst Euch nicht von Russland rekrutieren!

«Die Hysterie wird umso grösser, je näher die Niederlage Russlands rückt», kommentierte Selenskyj die Verhängung des Kriegszustandes über die Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Diese werden von Russland völkerrechtswidrig für sich reklamiert. «Russland hat ein halbes Jahr lang das Wort Krieg vermieden, sein eigenes Volk dafür bestraft, und jetzt erklärt es selbst das Kriegsrecht in den besetzten Gebieten», sagte Selenskyj. In Russland heisst der fast acht Monate dauernde Krieg offiziell militärische Spezialoperation.

Mit der Verschärfung wächst die Gefahr, dass Russland Ukrainer zum Kampf gegen die eigenen Landsleute zwingt. «Vermeiden Sie das, wenn es irgend möglich ist!», sagte Selenskyj. Wer diese Gebiete verlassen könne, solle das tun. Wer eingezogen sei, solle die Waffen strecken und versuchen, zu den Ukrainern zu desertieren. «Das Wichtigste: Retten Sie ihr Leben, und helfen Sie unbedingt auch anderen!»

Russische Besatzer siedeln Ukrainer aus Cherson aus

Im Gebiet Cherson fürchtet die russische Besatzungsmacht einen massiven ukrainischen Angriff. Sie siedelte deshalb nach eigenen Angaben bereits 7000 Zivilisten aus der Region rechts des Flusses Dnipro aus, wie Verwaltungschef Wladimir Saldo sagte. Die ukrainische Armee hat aber die Brücken über den Fluss unpassierbar gemacht.

Die Besatzungsverwaltung rief die Menschen auf, sich am Hafen von Cherson einzufinden. Von dort verkehrten tagsüber kleine Dampfer ans linke Ufer. «Jede Person darf 50 Kilo Gepäck mitführen», hiess es in der Information. «Tiere dürfen mitgenommen werden.»

Ein anderer Sprecher der Besatzer in Cherson, Kirill Stremoussow, sagte, alle ukrainischen Angriffe gestern seien abgewehrt worden. Von ukrainischer Seite gibt es seit Tagen keine Angaben zu der angeblichen Grossoffensive.

Steinmeier fährt auch im zweiten Anlauf nicht nach Kiew

Für die Verschiebung der Reise Steinmeiers nach Kiew waren nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur Sicherheitsgründe ausschlaggebend. Der Bundespräsident wollte sich heute in Kiew mit Selenskyj treffen. Die offiziell nicht angekündigte Reise solle rasch nachgeholt werden, hiess es.

«Wir sind in engen und vertraulichen Planungen eines Besuches des Bundespräsidenten in der Ukraine, der beiden Seiten wichtig ist.» Das schrieben Steinmeiers Sprecherin Cerstin Gammelin und der künftige ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, wortgleich auf Twitter. Für heute sei ein Telefonat der Präsidenten verabredet.

Im April hatte Kiew einen Besuch Steinmeiers abgesagt - angeblich aus Ärger über dessen russland-freundliche Haltung. Dies sorgte in der Anfangsphase des Krieges für Verstimmung in Berlin.

Das wird heute wichtig

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union suchen bei einem Gipfel in Brüssel nach einem Ausweg aus der Energiekrise. Selenskyj soll per Video zugeschaltet werden. Er hat angekündigt, den aktuellen Strommangel seines Landes anzusprechen. Die Ukraine hofft, dass die ausländischen Partner ihr Generatoren überlassen.

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