Die Mehrheit der Deutschen findet es richtig, dass der Kurznachrichtendienst Twitter Trump den Stecker gezogen hat. Dennoch wirft die Sperre auch hierzulande die Frage auf, ob die Macht der Tech-Konzerne an dieser Stelle nicht vielleicht doch zu gross ist.
Vor einem drohenden Amtsenthebungsverfahren wegen «Anstiftung zum Aufruhr» hat der abgewählte US-Präsident Donald Trump mit einer Twitter-Sperre seine wichtigste Kommunikationsplattform verloren. Foto: Christophe Gateau/dpa
Vor einem drohenden Amtsenthebungsverfahren wegen «Anstiftung zum Aufruhr» hat der abgewählte US-Präsident Donald Trump mit einer Twitter-Sperre seine wichtigste Kommunikationsplattform verloren. Foto: Christophe Gateau/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bundesregierung sieht die Sperrung des Twitter-Kontos von US-Präsident Donald Trump kritisch.
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Die Betreiber sozialer Netzwerke trügen zwar Verantwortung dafür, dass die politische Kommunikation nicht mit Hass und Anstiftung zu Gewalt vergiftet werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Meinungsfreiheit als Grundrecht von elementarer Bedeutung könne aber nur durch den Gesetzgeber, nicht nach der Massgabe von Unternehmen, eingeschränkt werden. Deswegen sehe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) es als problematisch an, dass die Konten des US-Präsidenten dauerhaft geschlossen worden seien.

«Es ist richtig, dass der Staat, der Gesetzgeber, dazu einen Rahmen setzt», sagte Seibert zur Lage in Deutschland. Grundsätzlich problematisch sei es, was es in sozialen Medien an verfälschenden und Gewalt fördernden Äusserungen gebe. Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Jahren viel Druck auf die Online-Plattformen gemacht, um sie zu einem schärferen Vorgehen unter anderem gegen Hassrede zu drängen.

Twitter hatte Trumps Konto @realDonaldTrump dauerhaft gesperrt und ihm damit eine wichtige Kommunikationsplattform entzogen. Als Grund nannte Twitter das «Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt». Trump warf Twitter am Freitagabend vor, sich mit den Demokraten verschworen zu haben, um ihn und seine Anhänger zum Schweigen zu bringen.

Der CDU-Aussenpolitiker Norbert Röttgen forderte mit Blick auf den Sturm auf das Kapitol eine klarere und systematische Regulierung sozialer Medien. «Wir sehen, welche Macht solche Tech-Firmen verleihen, die viel zu wenig kontrolliert ist», sagte der Kandidat für den CDU-Vorsitz im Deutschlandfunk. «Ich finde, der Fall der Brandstiftung gegen die Demokratie und das Parlament als das Herz der Demokratie, ist ein Fall, wo solche Unternehmen reagieren müssen», sagte Röttgen.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey für die «Augsburger Allgemeine» (Dienstag) erklärten vier von fünf Befragten (81 Prozent), es sei richtig, dass Twitter Trumps Account dauerhaft gesperrt habe. Drei von vier Deutschen finden sogar, die Entscheidung sei «eindeutig richtig». Für falsch halten die Sperrung 15 Prozent der Teilnehmer der repräsentativen Umfrage, vier Prozent sind unentschieden. Wähler von Grünen, SPD, Union und Linke beurteilen die Sperrung den Angaben zufolge mit jeweils grosser Mehrheit als richtig. Auch rund sechs von zehn FDP-Anhängern sind dieser Ansicht. Ganz anders sehen das die Wähler der AfD: Zwei von drei Anhängern der Rechtspopulisten halten Trumps Twitter-Bann für falsch.

Die stellvertretende AfD-Vorsitzende, Beatrix von Storch, erhob gleich gegen mehrere US-Konzerne massive Vorwürfe. Sie sagte: «Internet-Giganten wie Google, Facebook, Twitter, Amazon missbrauchen ihre marktbeherrschende Stellung, um die Meinungsfreiheit abzuschaffen.» Es sei daher höchste Zeit, mit dem Wettbewerbsrecht gegen die Tech-Konzerne vorzugehen und «das Digital-Kartell zu zerschlagen», sagte die Bundestagsabgeordnete, die selbst viel über Twitter kommuniziert. 2018 war sie von Twitter wegen eines Kommentars über muslimische Männer für zwölf Stunden gesperrt worden.

Der russische Kremlkritiker Alexej Nawalny nannte die Sperrung «Zensur». «Die Entscheidung, Trump das Twittern zu verbieten, scheint mir emotional, und sie basiert auf politischen Motiven», schrieb der Oppositionelle, der selbst Twitter und andere soziale Netzwerke als Plattform nutzt, weil er in den russischen Medien kaum erwähnt wird. «Dieser Präzedenzfall wird nun von den Feinden der Meinungsfreiheit auf der ganzen Welt ausgenutzt. Auch in Russland.» Wenn jemand zum Schweigen gebracht werden solle, werde argumentiert: «Dies ist nur die übliche Praxis, sogar Trump wurde auf Twitter blockiert.» Nawalny befürchtet demnach, dass auch er etwa bei Twitter geblockt werden könnte.

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