Papst Franziskus fordert «Die beste Politik»
Papst Franziskus gab am Sonntag seine Enzyklika mit dem Titel «Fratelli tutti» vor Gläubigen frei. Darin fordert er von der Politik, mehr Solidarität zu zeigen.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Weltpremiere der Enzyklika von Papst Franziskus fand beim Petersplatz in Rom statt
- Unterschrieben hat er das Dokument am Grab seines Namensgebers.
- Er verlangt darin auch eine Migrationspolitik, die von Nächstenliebe geprägt ist.
Papst Franziskus hat zwei sehr verschiedene Orte gewählt, um seiner Enzyklika weltweit Aufmerksamkeit zu geben. Erst unterschrieb er das Dokument im kargen Stein-Gewölbe am Grab seines Namensgebers, des Heiligen Franz von Assisi. Dabei sassen nur wenige Kirchenleute am Samstag in der Unteren Basilika in Assisi auf Holzbänken und klatschten.
Am Sonntag wählte der 83-Jährige sein über dem monumentalen Petersplatz in Rom für die Weltpremiere. Eine Enzyklika ist eine zentrale Botschaft an die katholischen Gläubigen und an die Kirchenoberen.
Enzyklika ist auch Forderung nach neuer Politik
Er gab den Text mit dem Titel «Fratelli tutti» vor Gläubigen frei. Die Enzyklika liest sich wie die Summe früherer Mahnungen des Papstes. Sie ist aber auch eine klare Forderung nach einer neuen Politik. Die Corona-Pandemie solle zum Wendepunkt für mehr Mitmenschlichkeit werden, verlangt er.

Das Grundsatzpapier hat rund 150 Seiten. Es trägt in der deutschen Übersetzung den Untertitel «Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft». Franziskus schreibt in klaren, gut verständlichen Worten.
Migrationspolitik soll von Nächstenliebe geprägt sein
Was er dabei inhaltlich fordert, geht ans grosse Ganze: eine neue Ethik den internationalen Beziehungen ebenso wie eine Migrationspolitik, die von Nächstenliebe geprägt ist. Er nennt etwa in der Flüchtlingsfrage durchaus Konkretes: «Es müsste eine grössere Zahl von Visa ausgestellt werden und die Antragsverfahren müssten vereinfacht werden», schreibt der Papst.

Im fünften Kapitel, das mit «Die beste Politik» überschrieben ist, entwirft er eine Vision einer gerechteren Welt. In dieser bestimmen «soziale und politische Liebe» den Weg. Viele Kirchenexperten sprachen deshalb in ersten Reaktionen von einer sehr politischen Enzyklika.
«Recht auf Eigentum sei nicht absolut»
Der deutsche Jesuit und Vatikan-Kenner Bernd Hagenkord bilanzierte: Viele Aspekte der Papst-Kritik an der modernen Wirtschaft, an einer Epoche voller Konflikte und Populismus seien nicht neu. «Aufmerksamkeit finden werden Sätze wie der, dass das Recht auf Eigentum nicht absolut sei. Oder der Aufruf zur Reform der Vereinten Nationen», schrieb er auf der katholischen Medienplattform «Vatikan News». Das seien aber nur Aspekte des übergreifenden Gedankens, dass es dem Papst um die Schaffung eines «Wir» gehe.
Ausserdem weist Hagenkord darauf hin, dass das Papst-Schreiben ausgerechnet kurz vor der US-Präsidentenwahl erschienen ist. Darin schreibt Franziskus Sätze über unsere Zeit wie: «Verbohrte, übertriebene, wütende und aggressive Nationalismen leben wieder auf.» Trotzdem dürfe das nach Ansicht Hagenkords nicht einfach zum «Fingerzeigen» führen. Franziskus wolle in der Enzyklika alle Menschen ansprechen: «Gläubige sollen bei sich selber anfangen.»