«Spiegel» löscht Storys mit totem Flüchtlingskind – Vorwürfe
Vor vier Jahren erschütterte der Fall «Relotius» die Medienwelt. Jetzt nimmt der «Spiegel» wegen Zweifeln an Quellen erneut Reportagen aus dem Netz.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Skandal um Claas Relotius hallt in der deutschen Medienbranche immer noch nach.
- Jetzt zieht der «Spiegel» erneut Artikel wegen Zweifeln am Wahrheitsgehalt zurück.
- Betroffen sind Flüchtlings-Reportagen vom August an der türkisch-griechischen Grenze.
Im August erschienen im «Spiegel» mehrere Artikel und Reportagen von der türkisch-griechischen Grenze. Am Fluss Evros spielte sich demnach ein Flüchtlingsdrama ab, das gemäss Recherchen des Magazins auch das Leben der kleinen «Maria» kostete.
Doch jetzt kommen Zweifel am tragischen Schicksal der Fünfjährigen auf: Gemäss einem «Medieninsider»-Bericht ist nicht einmal sicher, ob es das Mädchen überhaupt gab.
Der «Spiegel» hat knapp vier Jahre nach dem «Relotius»-Skandal darum wieder vier Artikel zur Überprüfung von seiner Website genommen.
Erinnerungen an Claas Relotius
«An dieser Stelle befand sich ein Beitrag über das Schicksal einer Flüchtlingsgruppe am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros im Sommer 2022. Mittlerweile gibt es Zweifel an der bisherigen Schilderung der damaligen Geschehnisse.» Das steht auf der Website, wo vorher die Artikel zu lesen waren.
Man überprüfe derzeit die Berichterstattung. Danach will man entscheiden, ob die Beiträge gegebenenfalls in korrigierter und aktualisierter Form erneut veröffentlicht würden, so die Chefredaktion weiter.
In den Beiträgen wird beschrieben, wie das fünfjährige Flüchtlingsmädchen «Maria» im Grenzstreit an einem Skorpionstich stirbt. Dies, «weil ihr griechische Behörden jede Hilfe versagten.» Doch mittlerweile sei unklar, ob sich ihr Schicksal so zugetragen habe. Oder ob es sie überhaupt gab.
Reporter steht zu Darstellung
Bereits im Spätsommer soll sich der griechische Migrationsminister Notis Mitarachi brieflich an «Spiegel»-Chefredakteur Steffen Klusmann gewendet haben. Er zweifelte die Darstellung an und warf dem Magazin vor, NGO-Angaben ungeprüft weiterverbreitet zu haben.
Reporter Giorgos Chistides, aus dessen Feder die Geschichten stammen, hatte sich bereits im August auf Twitter geäussert. Er habe mit Eltern und Geschwistern des Mädchens gesprochen und wolle «anders als die Politik» nicht an ihnen zweifeln.
Auch hätten ihm weitere Menschen die Existenz des Mädchens bestätigt. Darüber hinaus habe es auch eidesstattliche Versicherungen gegenüber der ermittelnden Staatsanwaltschaft gegeben.