Terror-Alarm in Wien: Junge radikalisieren sich auf Tiktok
Die Terrorverdächtigen von Wien (Ö) sind alle Teenager. Ein Experte erklärt, welche Rolle Tiktok und Co. bei der Radikalisierung und Terror in Europa spielen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Terroranschlag auf die Taylor-Swift-Konzerte in Wien konnte vereitelt werden.
- Drei Teenager wurden festgenommen.
- Die Generation Z durchläuft den gesamten Radikalisierungsprozess virtuell, so ein Experte.
Es hätte für Zehntausende Fans von Taylor Swift der wohl schönste Tag ihres Lebens werden sollen. Stattdessen entgingen sie nur knapp einer Tragödie.
Einen Tag vor dem ersten der drei Konzerte in der österreichischen Hauptstadt Wien wurden zwei Personen festgenommen. Sie planten offenbar einen Terroranschlag auf die Grossveranstaltung. Am Freitag wurde ein weiterer Mann festgenommen. Auch er soll einen Treueschwur auf den Islamischen Staat (IS) geleistet haben.
Der am Mittwoch festgenommene und geständige Hauptverdächtige ist 19 Jahre alt. Die beiden anderen Terrorverdächtigen sind im Alter von 18 und 17 Jahren. Sie sollen sich im Internet radikalisiert haben. Ein 15-Jähriger wurde als Zeuge befragt.
Die Rolle von Tiktok und Telegram bei Terror in Europa
Derzeit erlebe Westeuropa eine «Renaissance des dschihadistischen Terrorismus», erklärt Terrorismusexperte Peter R. Neumann gegenüber dem «Spiegel». «Sehr viele» der Tatverdächtigen seien erst Teenager.
«Sie haben sich im Internet radikalisiert und agieren als Einzeltäter oder virtuelle Zellen», erklärt der Experte. Tiktok sei dabei zentral. Denn die Plattform «steht symbolisch für eine sehr junge Nutzerschaft, eine schnell wachsende Reichweite und einen algorithmisch getriebenen Content». Andere Plattformen wie Telegram würden speziell bei den Anschlagsplanungen eine wichtige Rolle spielen.
«Die Generation Z durchläuft den gesamten Radikalisierungsprozess virtuell», so Neumann. Zwar habe auch während der letzten grossen dschihadistischen Bewegung in den Jahren 2011 bis 2018 Radikalisierung online stattgefunden. Doch der entscheidende Faktor, sich dem IS anzuschliessen, sei der Kontakt in der realen Welt gewesen.
Virtueller Raum schwieriger zu durchleuchten
Das ist heute anders: «Es gibt im Prinzip keinen Kontakt mehr mit Personen ausserhalb der virtuellen Welt», hält der Experte fest. Neumann spricht in diesem Zusammenhang von «Tiktok-Dschihadisten».
Die Täter würden sich fast ausschliesslich im virtuellen Raum bewegen. Und dieser sei deutlich schwieriger zu überwachen als physische Treffpunkte. «Nachrichtendienste und Strafverfolgungsbehörden tun sich schwer bei der Durchleuchtung dieser virtuellen Welten», so Neumann. Der Hinweis auf die Terrorgefahr bei den Taylor-Swift-Konzerten in Wien kam vom US-Geheimdienst.
Zuletzt kommt es immer wieder zu Terroranschlägen von solchen «Tiktok-Dschihadisten». «Es ist das dominante Muster bei dschihadistischen Anschlagsversuchen in Europa», sagt Neumann.
Als Beispiel nennt er unter anderem einen Fall aus der Schweiz vom März dieses Jahres: Ein 15-Jähriger ging in Zürich auf offener Strasse auf einen orthodoxen Juden los. «Das Opfer hat gerade so überlebt. Der Täter hat sich komplett im Internet radikalisiert», so Neumann.