Bellingcat recherchiert nach mutmasslichen Tätern von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg. Der Chef der Investigativ-Gruppe ordnet die Lage im Kreml ein.
Wladimir Putin Ukraine Krieg
Wird Kreml-Chef Wladimir Putin in einem Jahr noch an der Macht sein? - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bellingcat sucht im Ukraine-Krieg nach Kriegsverbrechern.
  • Der Chef des internationalen Recherchekollektivs ordnet die Lage im Kreml ein.
  • Präsident Putin gibt er unter jetzigen Bedingungen maximal noch ein Jahr an der Macht.
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Mittlerweile dauert der Ukraine-Krieg mehr als acht Monate an und ein Ende scheint so schnell nicht in Sicht zu sein. Für Wladimir Putin stellt sich die Invasion auf die Ukraine bislang als totaler Reinfall heraus.

Einer, der das belegen kann, ist Christo Grozev. Er ist Chefermittler des internationalen Recherchekollektivs Bellingcat und deckt in der Ukraine Kriegsverbrechen auf. In einem Interview mit Tamedia ordnete er nun die Lage rund um Wladimir Putin ein.

Ukraine Krieg
Menschen betrachten ein Plakat, das den russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigt.
Moskau
Russische Wehrpflichtige verabschieden sich von ihren Verwandten in einem Rekrutierungsbüro während der teilweisen Mobilisierung des russischen Militärs in Moskau, Russland, 6. Oktober 2022.
Moskau
Rekruten fahren ein gepanzertes Fahrzeug während einer militärischen Ausbildung auf einem Schiessplatz in der Region Krasnodar im Süden Russlands, Dienstag, 4. Oktober 2022.
Teilmobilmachung Russland
Ein russischer Rekrut spricht mit seinem Sohn, bevor er einen Zug am Bahnhof in Prudboi, Region Wolgograd, Russland, nimmt, Donnerstag, 29. September 2022.
Moskau
Russische Rekruten nehmen einen Bus in der Nähe eines militärischen Rekrutierungszentrums in Krasnodar, Russland, Sonntag, 25. September 2022.

Derzeit verändere Putin die Kriegsstrategie im Wochenrhythmus. «Erst wollte er die Ukraine im Handstreich nehmen, das ging schief. Dann holte er private Söldnertruppen und Gefängnisinsassen an die Front. Auch damit hatte er keinen Erfolg», erklärt Grozev.

Sozialer Vertrag gebrochen

Jetzt gäbe es offenbar auch massive Probleme mit der Teilmobilmachung. «Und das sehen auch die Machteliten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch viel länger mitmachen.»

Putin habe mit der Teilmobilmachung einen sozialen Vertrag zwischen Regierung und Bevölkerung gebrochen, erzählt Grozev. «Die Russinnen und Russen konnten dem Überfall wie einem Fussballmatch zusehen: vom Sofa im Wohnzimmer aus, ohne eigenes Risiko. Die Mobilmachung hat das radikal geändert.»

Bellincat
Bellingcat sucht im Ukraine-Krieg nach möglichen Kriegsverbrechen. - Keystone

Jetzt müssten viele Russen selbst am Ukraine-Krieg teilnehmen, und sie würden vielleicht dabei getötet. «Die von ihm versprochene Stabilität gibt es nicht mehr», so Grozev.

Ukraine-Krieg sorgt für steigende Unzufriedenheit

Anzeichen für die steigende Unzufriedenheit in Russland finde Bellingcat nicht auf den Strassen, sondern in den Suchmaschinen. Genauer gesagt in der russischen Version von Google, der Suchmaschine Yandex.

«Zu Beginn des Krieges tauchte oft die Frage auf: Wann kommt Ikea zurück? Je länger der Krieg dauerte, desto häufiger wurde die Frage gestellt: Wann kommt die Mobilmachung? Das waren erste Anzeichen einer existenziellen Angst», erläutert der bulgarische Autor gegenüber Tamedia.

Glauben Sie, Putin wird bald gestürzt?

Und am Tag der Mobilmachung? Eine Frage, die Bellingcat nie zuvor gesehen hätte: «Wann finden die nächsten Präsidentschaftswahlen statt?»

Putin habe mittlerweile nicht nur die Kriegsgegner, sondern auch die Kriegsgurgeln in Russland gegen sich. «Wenn es so weitergeht, wird Putin innert eines Jahres stürzen. Es könnte dabei auch zu grossem Blutvergiessen kommen», sagt Grozev.

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