WHO empfiehlt deutlich strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die empfohlenen Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft deutlich strenger gefasst. Studien zeigten, dass schlechte Luft den Menschen viel mehr schade als lange angenommen, so die WHO.
Das Wichtigste in Kürze
- Schlechte Luft schadet der Gesundheit stärker als lange angenommen, und die bestehenden Grenzwerte für Schadstoffbelastungen sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu lasch.
Sie hat ihre Richtwerte für die maximale, gesundheitlich noch vertretbare Belastung deshalb deutlich verschärft. Es geht unter anderem um Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2).
Auch bei der Corona-Pandemie spiele die Luftverschmutzung eine Rolle, so die WHO. Wer aufgrund von schlechter Luft eine Atemwegserkrankung habe, laufe grössere Gefahr als ein gesunder Mensch, bei einer Infektion mit dem Coronavirus schwer zu erkranken.
Die neuen Richtwerte seien niedriger als erwartet und das Ziel, sie zu erreichen, sei ehrgeizig, meinte Tamara Schikowski vom Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung an der Universität Düsseldorf (IUF).
Die WHO passt die Richtwerte erstmals seit 2005 an, weil Studien gezeigt haben, wie stark die Gesundheit unter Luftverschmutzung leidet. Eine Überschreitung der neuen Grenzwerte sei mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden.
Jedes Jahr sterben nach WHO-Schätzungen weltweit sieben Millionen Menschen frühzeitig infolge von Luftverschmutzung. Millionen Menschen würden gesunde Lebensjahre geraubt. Bei Kindern könne das Wachstum der Lungen gestört werden und es könnten verstärkt Asthma-Symptome auftreten. Bei Erwachsenen könne Luftverschmutzung Herzkrankheiten und Schlaganfälle begünstigen.
Die Belastung mit Stickstoffdioxid, das in Ballungsräumen vor allem aus Diesel-Autos kommt, soll statt wie bislang höchstens 40 künftig nur noch 10 Mikrogramm pro Kubikmeter betragen.
Feinstaub, der in die Lunge und den Blutkreislauf eindringen kann, sei von besonderer Bedeutung, so die WHO. Er entsteht etwa durch Verbrennungsprozesse im Verkehr, in der Energiewirtschaft, Haushalten, Landwirtschaft und auf Mülldeponien. Sehr hoch sei die Belastung in Südostasien und im östlichen Mittelmeerraum, so die WHO.
Die neuen Empfehlungen für Stickstoffdioxid und Feinstaub, insbesondere für jene Feinstaubpartikel, die kleiner als 2,5 Mikrometer sind (PM2,5), liegen deutlich tiefer als die heutige Belastung der Aussenluft in der Schweiz, wie die Empa-Forscher Lukas Emmenegger und Christoph Hüglin gemäss dem Science Media Center erklärten. Für diese Luftschadstoffe und für Ozon werde es weiterhin sehr grosse Anstrengungen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene brauchen, um die entsprechenden Richtwerte einhalten zu können, so die Forscher.
Klar sei, dass es keine «ungefährliche Luftverschmutzung» gebe, sagte Barbara Hoffmann, vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Düsseldorf. «Daraus leitet sich ab, dass die Luftverschmutzung überall verringert werden muss - auch dort, wo sie schon relativ niedrig ist. Das lohnt sich auch finanziell, denn die Krankheitskosten, die durch Luftverschmutzung entstehen, sind höher als die Kosten für Luftreinhaltung.»
Die WHO-Leitlinien enthalten auch Empfehlungen für Ozon (O3), Schwefeldioxid (SO2) und Kohlenmonoxid (CO). Sie sind nicht verbindlich, sondern gelten als Richtschnur für Länder und Staatenverbünde wie die EU.