Gehen trotz Querschnittlähmung: Neue Therapie vielversprechend

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Lausanne,

Menschen mit Querschnittlähmung soll das Gegen mit einer experimentellen Therapie wieder möglich sein. Erste Erfolge gibt es bereits.

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Ein Patient mit kompletter Rückenmarksverletzung geht im Universitätsspital Lausanne nach 5 Monaten Reha. Eine implantierte Folie mit 16 Elektroden gibt kleine elektrische Impulse an Nervenbahnen ab, die zu Motorneuronen in der Wirbelsäule führen. Foto: Jimmy Ravier/NeuroRestore/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine neuartige Therapie kann Querschnittgelähmten wieder das Gehen ermöglichen.
  • Für die Therapie wird eine Folie mit Elektroden implantiert.
  • Ob diese Methode künftig im klinischen Alltag Einzug hält, ist noch nicht klar.

Nach vergleichsweise kurzem Training wieder kurze Strecken gehen – das können Menschen mit Querschnittlähmung dank einer neuen Therapie.

Dabei gibt eine implantierte Folie mit 16 Elektroden kleine elektrische Impulse an Nervenbahnen ab. Diese führen zu Motorneuronen in der Wirbelsäule.

Die Patienten konnten bereits am ersten Tag nach der Aktivierung des sogenannten Elektrodenarrays erste Schritte auf einem Laufband machen. Das Team hinter der neuen Methode: Jocelyne Bloch und Grégoire Courtine von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und ihr Team. Sie stellen ihre Ergebnisse im Fachmagazin «Nature Medicine» vor.

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Trotz Querschnittlähmung kann der Mann aus seinem Rollstuhl aufstehen. - EPFL / Alain Herzog 2021

Die Methode der Rückenmarkstimulation durch elektrische Impulse wird seit Längerem in der Behandlung von chronischen Schmerzen angewendet. Bloch und Courtine haben vor einigen Jahren erkannt, dass eine solche Stimulation auch gegen Querschnittlähmung helfen kann.

Dass dies grundsätzlich funktioniert, haben sie bereits 2018 an Patienten gezeigt, die ihre Beine oder Füsse noch minimal bewegen konnten. Jetzt konnten sie ihre Methode verbessern und an Patienten ohne Restbeweglichkeit erfolgreich testen.

Impulse per Tabletcomputer

«Unser Durchbruch sind hier die längeren und breiteren implantierten Elektrodenarrays. Bei denen sind die Elektroden so angeordnet, dass sie genau den Spinalnervenwurzeln entsprechen», wird Bloch in einer EPFL-Mitteilung zitiert.

Dies gebe den Medizinern eine präzise Kontrolle über die Neuronen, die bestimmte Muskeln regulieren. Um dieses Elektrodenarray zu entwickeln, analysierten Bloch, Courtine und Kollegen 27 Wirbelsäulen und erstellten Computermodelle. Sie stellten fest, dass die Lage der Nervenbahnen sich von Mensch zu Mensch unterscheidet.

Schliesslich fanden sie ein Arrangement der 16 Elektroden. Damit konnten die entscheidenden Nervenbahnen für eine Bewegung besser erreicht werden. Die Elektroden auf der Folie sind mit einem Impulsgeber verbunden, der wiederum drahtlos über einen Tabletcomputer angesteuert werden kann.

«Die Patienten mit Querschnittlähmung können die gewünschte Aktivität auf dem Tablet auswählen. Die entsprechenden Protokolle werden dann an den Schrittmacher im Bauchraum weitergeleitet», sagt Courtine. Dabei werde das Rückenmark aktiviert, wie es das Gehirn natürlicherweise tun würde. Neben dem Stehen und Gehen sollen so etwa auch Schwimmen und Liegerad fahren möglich sein.

Erste Erfolge bei Querschnittlähmung

«Die ersten Schritte waren unglaublich - ein Traum wurde wahr!», berichtet Michel Roccati, ein Italiener, der seit einem Motorradunfall eine Querschnittlähmung hat. Nach monatelangem Training kann er jetzt mit einem Rollator 500 Meter am Stück laufen und Treppen hoch- und heruntersteigen.

Zwei weitere Patienten haben in noch laufenden klinischen Versuchen ebenfalls einen Teil der Beweglichkeit ihrer Beine und ihres Rumpfes wiedererlangt. Sie können jedoch keine Treppen bewältigen. Für jeden von ihnen haben die Forscher ein individuelles Programm zur Nervenstimulation geschrieben.

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Die Implantate funktionieren. Trotz der Querschnittlähmung steht der Mann. - EPFL / Alain Herzog 2021

«Die Forschungsergebnisse sind beeindruckend», gab Norbert Weidner vom Universitätsklinikum Heidelberg der Deutschen Presse-Agentur eine Einschätzung zur Studie. Dennoch ist er skeptisch, dass die Therapie in absehbarer Zeit im klinischen Alltag angewendet werden kann.

Aus der Studie gehe beispielsweise nicht hervor, wie die drei Patienten ausgewählt wurden. Deshalb ist es für Weidner fraglich, ob die Ergebnisse auf grössere Patientengruppen übertragen werden könnten. Andererseits könne die Technologie in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden. Ähnlich sieht es Rainer Abel vom Klinikum Bayreuth, der zudem betont: «Ich freue mich, dass dieses Projekt weitergeht und die Kollegen offenbar auch die Ressourcen dafür haben.»

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