Ehe für alle: Nationalrat bereinigt letzte Differenzen
Der Nationalrat hat am Mittwoch die letzten Differenzen der «Ehe für alle»-Vorlage bereinigt. Somit ist sie nun bereit für die Schlussabstimmung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Räte öffnen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
- Bisher konnten schwule und lesbische Paare nur ihre Partnerschaft eintragen lassen.
- Lesbische Paare erhalten zudem Zugriff zur Samenspende.
Das Parlament öffnet die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Der Nationalrat hat am Mittwoch die letzten Differenzen in der vor sieben Jahren von den Grünliberalen angestossenen Vorlage bereinigt. Diese ist nun bereit für die Schlussabstimmung. Damit dürfen gleichgeschlechtliche Paare künftig ebenso wie Frau und Mann eine Ehe eingehen.
Verheiratete lesbische Paare erhalten zudem Zugang zur Samenspende. Die Bestimmungen, die das Parlament in die Vorlage eingefügt hat, trägt auch der Bundesrat mit. Anfänglich hatte er diese Frage später prüfen wollen.
Der Nationalrat folgte bei der Samenspende für Frauen-Paare der Formulierung des Ständerates. Demnach gilt die Ehefrau der Mutter als Mutter des Kindes, wenn dieses gemäss den Vorgaben im Fortpflanzungsmedizingesetz gezeugt worden ist. Aber nicht nach einer Samenspende im Ausland. Das soll sicherstellen, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung gewährleistet ist.
Ehe für alle: Historischer Schritt in Richtung Gleichstellung
SP und Grüne sprachen im Nationalrat von einem historischen Schritt in Richtung Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren. «Es ist beinahe vollbracht», sagte Kathrin Bertschy (GLP/BE). Sie erinnerte an den ersten Vorstoss der Grünen vor zwanzig Jahren im Schweizer Parlament. Mit der Gleichstellung der Geschlechter tue sich die Schweiz allerdings schwer, stellte Bertschy fest.
Der Ständerat hatte ausführlich diskutiert, ob für die gleichgeschlechtliche Ehe eine Verfassungsänderung nötig ist. Der fragliche Verfassungsartikel meine die Ehe zwischen Mann und Frau. Deshalb müsse er angepasst werden, fanden namentlich Vertreterinnen und Vertreter von SVP und CVP.
Minderheitsantrag im Nationalrat abgelehnt
«Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet», lautet der Artikel in der Bundesverfassung. Vertreterinnen und Vertreter der Mehrheit entgegneten der Minderheit, der Begriff der Ehe habe sich im Wandel der Zeit geändert. Und auf Gesetzesstufe habe es immer wieder Änderungen gegeben, auch tiefgreifende.
Und im Nationalrat war bis zuletzt umstritten, ob der Zugang für Frauen-Paare zur Samenspende konform sei mit der Bundesverfassung. Ein Minderheitsantrag von Philipp Matthias Bregy (CVP/VS) wurde vom Rat aber mit 133 zu 57 Stimmen abgelehnt. Dieser hatte gefordert, die Samenspende aus der Vorlage zu nehmen.
Heute ist die gleichgeschlechtliche Ehe zwar in vielen europäischen Ländern möglich, aber nicht in der Schweiz. Gleichgeschlechtliche Paare haben hierzulande lediglich die Möglichkeit, ihre Partnerschaft eintragen zu lassen. Den Zivilstand «in eingetragener Partnerschaft» gibt es nur für gleichgeschlechtliche Paare.
EDU kündigt Referendum an
Die eingetragene Partnerschaft ist aber nicht mit denselben Rechten und Pflichten verbunden wie die Ehe. Unterschiede gibt es beispielsweise bei der Einbürgerung, aber auch die gemeinschaftliche Adoption von Kindern ist nicht erlaubt.
Eingetragene Partnerinnen und Partner können nun ihren Zivilstand in eine Ehe überführen. Vollständig gleichberechtigt mit heterosexuellen Paaren sind sie aber nicht. Nicht Bestandteil der «Ehe für alle» ist die Leihmutterschaft, mit der auch verheiratete Männer-Paare Kinder bekommen könnten. Auch die Hinterlassenenrente wurde ausgeklammert, um die Vorlage nicht zu überlasten.
Ein Referendum gegen die Vorlage steht bereits im Raum. Angekündigt hat es die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU). Die konservative Partei stört, dass die gleichgeschlechtliche Ehe ohne Verfassungsänderung eingeführt werden soll. Und die Samenspende für Lesben-Paare ist in den Worten der EDU «rechtlich und moralisch bedenklich».