Früher Start, Stress-Kunden: So unbeliebt ist Arbeiten an Bahnhöfen
Randalierende Kundschaft und Arbeitsbeginn um 4.30 Uhr: Arbeiten am Bahnhof hat seine Nachteile – es fällt den Geschäften teilweise schwer, Personal zu finden.
Das Wichtigste in Kürze
- Wer am Bahnhof arbeitet, muss früh anfangen oder lange bleiben.
- Einige Unternehmen haben deshalb teilweise Mühe, Personal zu finden.
- Eine Mitarbeiterin erklärt, dass auch die «schwierige Kundschaft» ein Problem sei.
«Wir suchen dich» – mit diesem gut platzierten Schild wirbt die Bäckerei Reinhard im Bahnhof Bern um neues Personal. Seit Monaten steht es immer wieder da.
Denn: Es ist «manchmal nicht einfach», für Früh- und Spätschichten geeignete Mitarbeitende zu finden, sagt Geschäftsleiter Alexander Reinhard zu Nau.ch.
Ein Problem ist, «dass potenzielle Mitarbeiter nicht mit ÖV kommen können, da der Arbeitsbeginn schon um 5 Uhr ist». Am Bahnhof Bern beginnt die Schicht gemäss Aushang sogar schon um 4.30 Uhr. «Und für einen Betrieb, der an 365 Tagen geöffnet ist, benötigen wir natürlich einige Mitarbeitende.»
Geschäfte ausserhalb der Bahnhöfe können da oft attraktivere Arbeitszeiten bieten: Wenige hundert Meter weiter, an der Berner Marktgasse, steht ebenfalls eine Reinhard-Filiale. Anders als die im Bahnhof, die bereits um 5.45 Uhr öffnet, bietet sie jeweils erst ab 7 Uhr Brötchen an – und schliesst um 18.30 statt um 21 Uhr.
«Bieten gute Anstellungsbedingungen»
Dass es nicht immer einfach ist, Mitarbeitende für die Bahnhof-Filialen zu finden, merken auch andere Unternehmen. So zum Beispiel der Valora-Konzern mit an Bahnhöfen beliebten Läden oder Cafés wie K Kiosk, Brezelkönig oder Café Spettacolo.
«Ungeachtet von Betriebszeiten ist es für Unternehmen derzeit generell herausfordernder als früher, passendes Personal zu finden», sagt Sprecherin Christina Wahlstrand. Ein Grund sei die tiefe Arbeitslosenquote.
Einfacher scheint es Coop bei der Bahnhofs-Personalsuche zu haben. Auf Anfrage heisst es: «Coop findet unabhängig der Lage und der Öffnungszeiten grundsätzlich immer neue Mitarbeitende und bietet diesen gute Anstellungsbedingungen.»
Arbeitszeiten frühmorgens oder spätabends seien für verschiedene Mitarbeitende durchaus attraktiv. Das betont auch die Migros: «Mit durchgehenden Öffnungszeiten fällt die oft ungeliebte Zimmerstunde weg.»
«Schwierige Kundschaft»
Die 22-jährige Philomena T.* arbeitet in einem Laden im Bahnhof Bern. Sie stören die Arbeitszeiten: «Ich habe viele Wochenendschichten und bin oft bis spätabends noch im Laden», sagt sie zu Nau.ch.
«Der grösste Minuspunkt für mich ist aber die oft schwierige Kundschaft», sagt sie. «Die meisten sind im Stress, weil sie auf den Zug müssen.»
Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Kriminalität am Bahnhof Bern gestiegen ist. Auch T. fühlt sich als junge Frau nicht immer wohl bei der Arbeit. «Wir haben manchmal Kunden, die im Laden herumschreien.»
Kunde wollte Mitarbeiterin Produkt an Kopf werfen
Sie erinnert sich an weitere Vorfälle: «Einmal hat eine Kollegin einen Kunden falsch verstanden. Er wurde so wütend, dass er eine Hasstirade gegen Frauen in seine Übersetzer-App eintippte.» Dann habe er sie laut auf Deutsch abgespielt: Sie sei zu dumm zum Arbeiten und man sollte besser einen Mann einstellen.
«Wir wurden auch schon bedroht und mussten die Polizei rufen. Ein Kunde war nicht mit dem Preis einverstanden, deshalb wollte er einer Arbeitskollegin eines unserer Produkte an den Kopf werfen.» Er habe sie zwar nicht getroffen, aber habe danach im Laden Dinge umgeworfen und randaliert.
Die SBB erklärt die Bahnhofs-Arbeitszeiten so: Reisende seien zu den unterschiedlichsten Zeiten an den Bahnhöfen unterwegs. «Die SBB legt Mindestöffnungszeiten fest, in der Regel 9 bis 21 Uhr. Viele Geschäfte und Lokale bieten darüber hinausgehende Öffnungszeiten an.»
*Name geändert