Das Verhalten anderer Passagiere im ÖV ist für manche ein Grund zur Wut – Tendenz steigend. Vor allem das Blockieren von Sitzplätzen, wie Beispiele zeigen.
BLS
In zwei Fällen wurden Reisende in BLS-Zügen gerügt, weil sie Sitzplätze blockierten, obwohl die Abteile weitgehend leer waren. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Wer im ÖV fährt, muss mit anderen Passagieren rechnen.
  • Allerdings haben nicht alle Fahrgäste eine hohe Toleranz gegenüber anderen.
  • Dies führt zu Streitereien – in einigen Fällen zu schrofferen als früher.
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Der Zug von Bern nach Frutigen BE ist halbleer. Ein Pärchen reist gemeinsam in die Berge. In ihrem Viererabteil der Bern-Lötschberg-Simplonbahn (BLS) legen sie ihre beiden Rucksäcke auf einen der Sitze.

Was dann passiert, hat keiner kommen sehen.

Als die Frau aufs WC geht, steigt ein neuer Passagier ein – und verlangt, ausgerechnet ihren Platz zu kriegen. «Ich will da sitzen», fährt der Neuling den Mann an. Als dieser ihm verdutzt erklärt, seine Frau komme in zwei Minuten zurück, lässt er das nicht gelten. «Dann sitze ich halt da», sagt er schroff, und zeigt auf den Sitz mit den Rucksäcken.

Der Mann ist verwirrt. Er verweist auf den Platz gleich neben ihm, der frei ist. Und auf das halbe Abteil, das ebenfalls nicht besetzt ist.

Passagier geht es ums Prinzip

Doch das will der Zugestiegene nicht. Es gehe ihm ums Prinzip. «Leute, die Sitzplätze mit Gepäck besetzen, nerven mich», schreit er. Der Mann erklärt ihm, der Rucksack liege nur auf dem Sitz, weil es so viele freie Plätze habe.

Schliesslich setzt sich der Zugestiegene protestierend auf den freien Platz neben dem Mann. Und schleckt dort lautstark sein Schoggi-Glacé mit Waffel.

Da reicht es auch anderen Leuten im Abteil. Ein älterer Herr steht auf und meint kopfschüttelnd zum Nörgler: «Hier, mein Platz ist frei. Und der gegenüber auch. Suchen Sie sich einen aus.»

Doch auch das will er nicht. Als er sein Glacé fertiggeschleckt hat, steigt er unter den genervten Blicken der anderen Pendler aus.

Nur einen Tag später ebenfalls in der BLS: Diesmal auf dem Weg nach Bern. Auch hier nervt sich ein Mann, sogar schon frühmorgens, über Gepäck auf dem Sitz. Er geht durch den Wagen, bleibt bei einem Zweierabteil stehen und wartet.

Als niemand reagiert, schreit er «Hallo! Kann ich hier sitzen!» Die erschrockene Frau am Laptop nimmt ihre Handtasche vom Sitz und macht ihm Platz.

Durchsagen in BLS-Zügen machen auf Problem aufmerksam

Die BLS wissen offenbar, dass das Thema heiss ist. Immer wieder ist in den Zügen genauso eine Durchsage zu hören. Man soll die Sitze freigeben, und eben nicht mit Gepäck vollstellen.

Allerdings, sagt Mediensprecher Colin Cuvit, ist in den vergangenen Jahren bei entsprechenden Beschwerden, die beim Kundendienst eingehen, «keine eindeutige Tendenz» ersichtlich.

Im ersten Halbjahr 2024 sind ausserdem weniger Beschwerden als in den zwei Jahren zuvor zum gleichen Zeitpunkt eingegangen. Wenn, dann betreffen die Beschwerden der Kategorie «Mitreisende» eben meist Blockaden von Sitzplätzen, sagt Cuvit. Aber auch Dreck, laute Musik oder Telefongespräche und teilweise Bettelei seien immer wieder ein Problem.

Pendler SBB
Unhöfliches Verhalten im ÖV ist leider keine Seltenheit.
Koffer blockieren Sitzplätze SBB
Nau.ch-Leser Nils F.* sah im Zug von Zürich nach Bern, wie zwei Frauen zusammen mit ihrem Gepäck sechs Sitzplätze blockierten. (Viererabteil vorne und Zweierabteil hinten)
SBB
Und Nau.ch-Leserin Sina F.* berichtete wie ein Mann mit seinen Sachen den Ein- und Ausgangsbereich eines SBB-Zugs versperrte.
Südostbahn
Auch Ex-SRF-Mann Andri Franziscus teilte auf X ein Foto eines mit Skisachen gefüllten Zugabteils.
SBB
Die SBB, die VBZ und die BLS empfehlen, sich in solchen Situationen ans Personal zu wenden.
SBB Zugtüre
Manchmal kommt es allerdings zu Streitereien, bevor sie eingreifen können.

BLS-Reisebegleiter sind bei heiklen Situation jedenfalls darauf geschult, deeskalierend einzugreifen. «Grundsätzlich setzen wir auf gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt bei den Fahrgästen», so Cuvit.

Trotzdem will man nun sogar darauf hinweisen. «Für eine entsprechende Sensibilisierung planen wir für den Spätsommer eine Kampagne in den Zügen der BLS via Passenger TV.»

Bei Offizialdelikten – Beschimpfungen, Tätlichkeiten, Angriff – gehts aber noch weiter. Sie werden in enger Zusammenarbeit mit der Polizei konsequent zur Anzeige gebracht.

«Leichte und kontinuierliche Zunahme» bei der VBZ

Auch in Zürich nerven sich Pendler immer mehr. Die VBZ stellen über die vergangenen Jahre eine «leichte und kontinuierliche Zunahme» von störendem Verhalten fest, sagt Mediensprecher Leo Herrmann. Häufig stehe dies allerdings in Zusammenhang mit alkoholisierten Personen.

Laut Hermann streben die VBZ primär nach einem möglichst sicheren, komfortablen und pünktlichen Angebot. «Währenddessen spiegelt sich in unseren Fahrzeugen das gesellschaftliche beziehungsweise städtische (Zusammen-)Leben wider», sagt er. Die VBZ zähle bei ihren Fahrgästen auf gegenseitigen Respekt und Anstand. Sowie auf Eigenverantwortung und Toleranz.

Bist du der Meinung, dass sich Passagiere im ÖV gut benehmen?

Mit Verboten und Vorgaben gehen die VBZ darum sparsam um. Sie beschränkt sich grundsätzlich auf die in den Fahrzeugen angeschlagenen Piktogramme.

Wird das Verhalten von Mitreisenden als störend wahrgenommen, kann das Fahrpersonal kontaktiert werden. «Unsere Mitarbeitenden schätzen dann ein, ob eine direkte Ansprache sinnvoll und angemessen ist», sagt Herrmann. «Bei Bedarf und je nach Situation können sie auch über die Leitstelle Hilfe – heisst Serviceleitung oder Polizei – anfordern.»

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