Krankenkasse muss Long-Covid-Patient Blutwäsche zahlen
Einem Long-Covid-Patienten geht es dank Blutwäsche wieder besser. Für die Vergütung durch die Krankenkassen musste er bis vor Bundesgericht kämpfen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Long-Covid-Patient ist dank einer unbewiesenen Blutwäsche wieder arbeitsfähig.
- Die Krankenkasse muss dafür bezahlen, ausser sie kann die Unwirksamkeit beweisen.
- Der Versicherer warnt vor den deswegen steigenden Gesundheitskosten und Prämien.
Ein Entscheid des Bundesgerichts könnte Long-Covid-Erkrankten etwas Hoffnung geben: Die Richter in Lausanne haben zugunsten von Christian Salzmann und zuungunsten der Helsana entschieden. Die Krankenkasse muss eine unbewiesene Therapie bezahlen. Darüber berichtet Tamedia.
Salzmann erkrankte im November 2020 an Corona, anschliessend litt er an Schwindel, Wortfindungsstörung, Lärmempfindlichkeit und Belastungsintoleranz. Deswegen wurde er ein halbes Jahr krankgeschrieben, anschliessend konnte er nur beschränkt arbeiten. Heute ist er wieder zu 80 Prozent als Radiomoderator tätigt – dank einer Therapie, wie er sich sicher ist.
So unterzog er sich einer Heparin-induzierten, extrakorporalen Lipoprotein-Präzipitation (H.E.L.P.-Apherese), einer Art Blutreinigung. Wie Labormessungen zeigen, werden dabei unter anderem Mikrogerinnsel, Entzündungsfaktoren, Antikörper und Sars-CoV-2-Fragmente entfernt. Diese zählen alle zu den möglichen Ursachen für Long Covid.
Günstig ist die Therapie nicht, Salzmann musste rund 20'000 Franken für neun Sitzungen bezahlen. Seine Krankenkasse, die Helsana, weigerte sich aber, die Kosten zu übernehmen, der Radiomoderator zog also vor Gericht. Denn laut dem Krankenversicherungsgesetz müssen Kassen alle von Ärzten verordneten Behandlungen übernehmen. Ausnahme sind Therapien, die unwirksam, unzweckmässig oder unwirtschaftlich sind.
Weder Kläger noch Versicherer mit Urteil zufrieden
Vor dem Aargauer Versicherungsgericht verlor Salzmann noch. Es akzeptierte die Argumentation der Helsana, laut der eine Vertrauensärztin die Wirksamkeit der H.E.L.P.-Apherese nicht wissenschaftlich beweisen sei.
Das Bundesgericht entschied dann anders: Es reiche nicht, die Wirksamkeit der Therapie in Zweifel zu ziehen. Es gebe keine Hinweise, dass darüber ein breiter wissenschaftlicher Konsens bestehe. Deshalb entschied es, dass die Helsana die Kosten tragen müsse – wenn sie keine Beweise für die Unwirksamkeit vorlegen kann.
Kerstin Noëlle Vokinger, Professorin für Recht und Medizin in Zürich, sieht wegweisenden Charakter im Urteil: «Es ist ein wichtiger Entscheid mit Signalwirkung über den konkreten Fall hinaus, ein möglicher Präzedenzfall», sagt sie zu Tamedia. Es könne auch auf andere unbewiesene Therapien, die von einem Arzt verordnet werden, angewendet werden.
Mit dem Urteil ist aber weder Christian Salzmann noch die Helsana zufrieden. Die Versicherung findet es «nicht nachvollziehbar», es widerspreche der bisherigen Rechtsprechung.
Helsana warnt vor steigenden Gesundheitskosten wegen Urteils
Damian Hartmann, der Teamleiter Legal bei Helsana, warnt vor den Konsequenzen: Die Forderung, dass die Versicherer die Unwirksamkeit von Behandlungen, zu denen es kaum Studien gebe, beweisen müssten, sei ein Problem. Faktisch müssten alle nicht wissenschaftlich nachgewiesenen Heilanwendungen bezahlt werden. Das habe Auswirkungen auf die Gesundheitskosten und die Prämien.
Die Versicherung kann nun versuchen, mit externen Gutachten die Unwirksamkeit der Blutwäsche bei Long Covid nachzuweisen. Es gibt aber kaum wissenschaftliche Studien dazu. Und die wenigen vorhandenen Untersuchungen deuten auf eine Wirksamkeit hin. Die Helsana hat damit aber die Möglichkeit, den Fall neu aufzurollen.
Und das kritisiert Salzmann. Sein Anwalt sieht zwar einen Teilerfolg, doch er sagt auch: «Das Bundesgericht findet offenbar, dass Krankenkassen immer wieder von neuem abklären dürfen und Betroffene jedes Mal wieder rekurrieren sollen.» Er hätte den Entscheid, dass die Versicherung die Blutreinigung bezahlen muss, bevorzugt.
Christian Salzmann machte mit der Behandlung gute Erfahrungen, fühlte sich nach den Sitzungen besser. Er sagt: «Ohne diese Therapie wäre ich heute immer noch weitgehend arbeitsunfähig. Und damit für die Gesellschaft viel teurer als die Kosten der Blutwäsche.»