Virologe: «Coronavirus kann auch Junge ins Spital bringen»
Die Angst vor dem Coronavirus unter jungen Menschen nimmt ab – das machten auch die St. Galler Osterkrawalle deutlich. Ein Virologe warnt vor Leichtsinnigkeit.
Das Wichtigste in Kürze
- Einer Umfrage zufolge haben Junge zunehmend weniger Angst vor einer Covid-Ansteckung.
- Viele machten ihrem Unmut über Ostern bei den Krawallen in St. Gallen Luft.
- Virologe Andreas Cerny versteht den Frust – doch er mahnt, den Respekt nicht zu verlieren.
Die St. Galler Polizei hat ein anstrengendes Wochenende hinter sich: Am Freitagabend ist es in der Stadt zu Jugendkrawallen mit Sachschäden und Verletzten gekommen. Auch für Sonntag wurde Chaos angekündigt – diesmal reagierten die Polizisten mit Wegweisungen präventiv.
Hintergrund der Ausschreitungen: die Massnahmen gegen das Coronavirus. Der zunehmende Frust der Jugendlichen und jungen Erwachsenen schlägt sich auch in Zahlen des sogenannten «Corona-Monitors» der Forschungsstelle Sotomo nieder.
Laut der Umfrage fürchten sich aktuell 64 Prozent der 15- bis 34-Jährigen vor sozialer Isolation und Einsamkeit. Das sind deutlich mehr als die Menschen der anderen Altersgruppen. Die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus sinkt dagegen deutlich: Im März 2020 fürchteten sich 43 Prozent der 15- bis 34-Jährigen vor einer Covid-Erkrankung, im März 2021 noch 20 Prozent.
Virologe Andreas Cerny überrascht Jugend-Frust nicht
Das Virus ist bekanntlich besonders für ältere Menschen gefährlich. Jugendliche und junge Erwachsene erleben in den meisten Fällen einen milden Verlauf. Dennoch sind sie von den Massnahmen am meisten betroffen: kein Ausgang, keine Ferien, weniger Treffen mit Freunden.
Angesichts dessen zeigt sich der Tessiner Virologe Andreas Cerny über die Zahlen aus der Umfrage wenig überrascht. Auf Anfrage von Nau.ch sagt er: «Ich kann verstehen, dass die Last der Schutzmassnahmen für viele – je länger je mehr – schwer zu ertragen ist.»
Als besonders entscheidend für den Corona-Frust der Jungen sieht Cerny die mangelnden Freizeitmöglichkeiten. «Die Schutzmassnahmen, wie wir sie im Moment haben, sind besonders für Jugendliche sehr einschneidend.»
Die Tatsache, dass man derzeit nicht in den Ausgang gehen und keine Ferienpläne schmieden könne, werde immer belastender. «Ich denke, dass diese Aspekte für viele jetzt in den Vordergrund getreten sind», vermutet der Virologe. Da habe die Angst vor der Ansteckung im Moment wohl weniger Gewicht.
Cerny beruhigt: «Coronavirus wird uns nicht dauernd belagern»
Doch was sagt man einem jungen Erwachsenen, der das Coronavirus nicht mehr als gefährlich erachtet? Corona-Gefrusteten rät Andreas Cerny: «Bleib cool, das Virus wird uns nicht dauernd belagern. Halt dich an die Regeln und impfe dich, sobald möglich.»
Der Virologe erinnert aber auch an die Gefahr, die eine Covid-Erkrankung weiterhin birgt. «Denke daran, Corona kann auch dich ins Spital bringen. Auch wenn du unmittelbar nach der Ansteckung möglicherweise nur wenig Symptome hast, kannst du ein Long-Covid-Fall werden.»
Es kann auch jungen Menschen passieren, dass sie die Krankheitssymptome noch über Monate hinter sich herschleppen. Schliesslich betont Cerny: «Denke an deine Umgebung, die Personen, die du anstecken könntest!»
«Müssen über Ausweg-Szenarien sprechen!»
Die Vorkommnisse in St. Gallen machen deutlich, wie gross der Frust der jüngeren Generation ist. Was muss getan werden, um die Akzeptanz für die Corona-Massnahmen unter ihnen wieder zu steigern? Andreas Cerny weiss: «Gute und transparente Information ist wichtig – auch auf Kanälen, die die Jugendlichen erreichen.»
Der Virologe hält es zudem für sinnvoll, über Szenarien zu sprechen, wie man aus dieser Krise herauskommen kann. «Wir haben neue interessante Lichtblicke: Die Impfungen, die Selbsttests und vielleicht bald auch Medikamente, die uns den Weg aus der Pandemie weisen können.»