Wegen Ukraine-Kriegs: Muss man in den Ferien Gewissensbisse haben?
Die Ferien stehen vor der Tür. Aber in Europa wütet der Ukraine-Krieg. Müssen wir beim Ferienmachen ein schlechtes Gewissen haben? Ein Philosoph ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Während in der Ukraine Krieg herrscht, planen viele ihre Ferien.
- Doch müssen wir uns ein schlechtes Gewissen deswegen machen?
- Nein, entwarnt Philosoph Markus Stepanians der Universität Bern und ordnet ein.
Sommerzeit ist Ferienzeit. Nach dem Ansturm an Ostern sind Reisebüros und Flughäfen für die kommende Saison optimistisch. Ferienautos sind schon knapp, wie Nau.ch berichtete, und einige Reiseveranstalter registrieren sogar mehr Buchungen als vor der Pandemie.
Es wird ein regelrechter Ferienboom erwartet. Und trotzdem: Sich Ferien gönnen, während fast vor der eigenen Haustür ein grausamer Krieg herrscht, mag bei vielen Menschen Unbehagen auslösen. Manche beherbergen vielleicht sogar Familien, die aus dem Ukraine-Krieg flohen. Sie lassen diese daheim, während sie selber in die Ferien fliegen.
Doch muss man sich während des Ukraine-Kriegs ein schlechtes Gewissen machen? «Nein», sagt Philosoph Markus Stepanians, «ich sehe grundsätzlich keinen moralisch relevanten Zusammenhang zwischen Ferien und Krieg.»
Trotz Ukraine-Kriegs: Ferien sind «kein guter Grund für Gewissensbisse»
Stepanians ist Philosoph und Mitdirektor am Institut für Philosophie der Universität Bern, er ordnet für Nau.ch ein. «Zumindest gilt dies für Urlauber, die nicht in irgendeiner Weise – direkt oder indirekt – am Krieg beteiligt oder von ihm betroffen sind.»
Die Gewissensfrage könne sich aber sehr wohl für russische Oligarchen stellen, die Putins Regime am Leben erhalten.
Der Philosoph erklärt weiter: «Aber ohne eine spezielle und unmittelbare Beziehung zum Krieg gibt es meines Erachtens keinen guten Grund für Gewissensbisse.»
Zu den Gründen, wieso sich Menschen ein schlechtes Gewissen machen, gibt es nebst psychologischen Ansätzen auch ethische Theorien. Dazu gehört laut Stepanians auch der nutzenmaximierende Utilitarismus.
Dabei müssten wir uns ständig fragen, ob wir unsere Kräfte und Ressourcen nicht zu einem besseren Zweck einsetzen könnten, als in Italien in der Sonne zu liegen, so der Experte.
«Aber aus utilitaristischer Sicht dürften wir wohl nie in die Ferien fahren, weil es immer irgendwo eine Krise gibt, für die wir unser Feriengeld spenden sollten.»