Nach AHV-Urteil: «Das war eine Warnung an den Bundesrat»
Die Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters wird nicht wiederholt. Das hat das Bundesgericht am Donnerstag entschieden.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Rentenalter für Frauen bleibt bei 65 Jahren.
- Das Bundesgericht hat einstimmig entschieden, die Beschwerden abzuweisen.
Das Bundesgericht hat am Donnerstag in öffentlicher Beratung über eine Wiederholung des Urnengangs zur Erhöhung des Frauenrentenalters entschieden.
Das Volk hatte diesem am 25. September 2022 knapp zugestimmt. Laut der Beschwerde erfolgte dies aufgrund falscher Zahlen.
Damit habe die Stimmbevölkerung nicht in Kenntnis der Sachlage entschieden, heisst es in den Abstimmungsbeschwerden der Grünen und der SP Frauen.
Die im Abstimmungsbüchlein genannten Zahlen würden auf der falschen Ausgabenprognose für die AHV basieren und seien somit irreführend gewesen.
Die Parteien verlangten die Streichung des knappen Resultats von 50,6 Prozent Zustimmung zur Vorlage AHV 21 und eine Wiederholung des Urnengangs. Die aktuellen Entwicklungen im Ticker:
16.12: Der Bundesrat nimmt den Urteilsentscheid des Bundesgerichts zur Beschwerde gegen die AHV-Abstimmung von 2022 zur Kenntnis. Er warte die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung ab und werde die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen, hiess es in einer Medienmitteilung.
Die Korrektheit der Daten im gesetzgeberischen Prozess sei zentral für die Meinungs- und Entscheidfindung von Bundesrat, Parlament, Bevölkerung und politischen Akteuren, schrieb die Landesregierung weiter.
Zur Verbesserung und Sicherstellung verlässlicher Entscheidgrundlagen hat der Bundesrat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) angefragt, ein Mandat zur einmaligen Überprüfung der Qualitätssicherung der Daten, Prognosemodelle und Methodik bei Entscheidgrundlagen anzunehmen.
Zusätzlich sollen die Erkenntnisse aus dem Urteil des Bundesgerichts in die Überlegungen des Bundesrates zur Qualitätssicherung von Entscheidgrundlagen einfliessen, wie es weiter hiess.
15.58: Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone hat sich «wütend und verbittert» gezeigt über die Ablehnung der Beschwerden gegen die AHV-Abstimmung von 2022 durch das Bundesgericht.
Es sei ein Fehler festgestellt worden, doch sei dieser einfach banalisiert worden. Der Grund dafür sei, dass er die Frauen betreffe, monierte die Beschwerdeführerin und Genfer Politikerin.
«Man kann nicht einen Fehler banalisieren, der Konsequenzen für Tausende Frauen hat», sagte die frühere National- und Ständerätin. Frauen erhielten noch immer ein Drittel weniger Geld in der Rente und hätten ein grösseres Armutsrisiko.
«Wir akzeptieren nicht mehr, dass es einfach nicht so wichtig ist, wenn es um Frauen geht», fuhr Mazzone fort.
Zudem forderte die Grünen-Präsidentin eine Entschädigung für die Übergangsgeneration. Dabei handelt es sich um jene Frauen, die in den nächsten Jahren pensioniert werden und als erste von der Erhöhung des Rentenalters betroffen sind.
Auch müssten Frauen endlich für die Kinderbetreuung bezahlt werden. Weiter verlangte Mazzone eine bessere Vertretung von Frauen in der Justiz.
14.24: Es wäre eine historische Entscheidung gewesen, sagt der Anwalt und Grünen-Nationalrat Raphaël Mahaim zu Nau.ch. Natürlich sei man etwas enttäuscht, aber: «Immerhin wurde der Bundesrat scharf kritisiert, weil die Information an die Wählerschaft nicht korrekt war.»
Zwei der Richterinnen hätten sogar von einem schweren Eingriff in die Abstimmungsfreiheit gesprochen. «Das bedeutet, die Beschwerde war gerechtfertigt, es war richtig, ans Bundesgericht zu gelangen», folgert Mahaim. Zweitens zeige der Entscheid: Der Bundesrat müsse künftig viel zurückhaltender sein, wenn er solche pauschalen Aussagen – noch dazu falsche – mache im Abstimmungsbüchlein.
Für das Bundesgericht sei wohl das Argument der Rechtssicherheit ausschlaggebend gewesen, analysiert Raphaël Mahaim: «Dass man nicht die ganze Reform annulieren darf, weil eben die Mehrwertsteuerreform bereits in Kraft getreten ist.»
In der Bilanz sieht Mahaim durchaus positive Aspekte. «Das war wirklich eine Warnung für den Bundesrat heute.» Das Abstimmungsbüchlein müsse korrekt vorbereitet sein, Falschinformationen und Falschaussagen hätten dort nichts zu suchen. «Die Lektion für den Bundesrat ist heute klar – das ist meine Hoffnung», so Mahaim.
Mattea Meyer enttäuscht und kämpferisch
14.04: SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer hat sich nach der Ablehnung der Beschwerde gegen die AHV-Abstimmung durch das Bundesgericht enttäuscht und zugleich kämpferisch gezeigt. «Wir sind enttäuscht, wir sind traurig, wir sind wütend – zu Recht», sagte sie nach dem Entscheid vor dem Bundesgerichtsgebäude in Lausanne vor zahlreichen Medienschaffenden.
Die Behauptung, dass die AHV kurz vor dem finanziellen Ruin stehe und es keine Alternative zur Erhöhung des Frauenrentenalters gäbe, sei schon während des Abstimmungskampfs falsch gewesen und sie sei es auch heute noch, fuhr sie fort. Und die Behauptung werde auch in Zukunft falsch sein, weil es nie richtig sein könne, dass Frauen für politische Fehleinschätzungen und Fehler bezahlen müssten.
Bundesgericht weist AHV-Beschwerde ab
12.56: Es ist offiziell: Die Abstimmung wird nicht wiederholt.
Das Rentenalter für Frauen bleibt bei 65 Jahren. Das Gericht hat einstimmig entschieden, die Beschwerden abzuweisen. Die Rechtsfolgen wären nicht überschaubar.
12.19: Nun hat auch der fünfte Bundesrichter gesprochen. Er sieht keine Möglichkeit, die Beschwerde gutzuheissen.
12.03: In der Diskussion der öffentlichen Beratung des Bundesgerichts zu den Beschwerden gegen die AHV-Abstimmung zeichnet sich eine Ablehnung der Beschwerden ab. Bisher haben sich drei Richterpersonen für eine Abweisung ausgesprochen.
Ein weiterer Richter hat beantragt, nicht auf die Beschwerden einzutreten, weil die Bedingungen dafür nicht erfüllt sind.
Das Richtergremium hat noch nicht abgestimmt und die Beratung ist noch nicht abgeschlossen.
Zweiter Richter will nicht auf Beschwerden eintreten
11.50: Im Rahmen der öffentlichen Beratung hat sich der zweite Bundesrichter dafür ausgesprochen, dass nicht auf die Abstimmungsbeschwerden der Grünen und der SP Frauen eingetreten wird. Das fünfköpfige Richtergremium wird nun die Anträge diskutieren.
Der Bundesrichter führte aus, dass sich die Behörden der Fehler der im Abstimmungsbüchlein publizierten Zahlen selbst nicht bewusst gewesen seien. Der Rechenfehler sei erst nach der Abstimmung erkannt worden.
Darüber hinaus liege bei den Zahlen kein gravierender Fehler vor. Um auf Beschwerden wie die vorliegenden eintreten zu können, sei dies jedoch eine der Bedingungen.
Zudem müsse im Auge behalten werden, dass das Abstimmungsbüchlein nicht Inhalt von Beschwerden sein könne. Sie schliesse das Gesetz aus. Es gehe deshalb nicht an, dass dies auf Umwegen geschehe.
Referent beantragt Abweisung von Beschwerde gegen AHV-Abstimmung
11.30: Der Referent in der öffentlichen Beratung des Bundesgerichts hat sich für die Abweisung der Beschwerden gegen die AHV-Abstimmung vom September 2022 ausgesprochen. Eine Annullation der Abstimmung würde die Rechtssicherheit gefährden.
Der Richter hielt in seinen Ausführungen fest, dass Prognosen zum Finanzbedarf bei der AHV immer mit Ungenauigkeiten behaftet seien. Die im Abstimmungsbüchlein vom Bundesrat veröffentlichten Zahlen würden nicht derart stark von den später publizieren abweichen, dass sie als gravierender Fehler erachtet werden müssten.