Für eine Frau mit Kindern sei es schwieriger, einen Job zu finden, als für einen verurteilten Straftäter. Geht gar nicht, findet unsere Christina Bachmann-Roth.
Christina Bachmann-Roth
Christina Bachmann-Roth schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wahl des neuen Präsidenten der Walliser Tourismuskammer sorgt für Wirbel.
  • Denn Yannick Buttet trifft in der Rolle auf eine Frau, die er einst sexuell belästigt hat.
  • Eine Kolumne von Christina Bachmann-Roth (Die Mitte).
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Im Wallis wurde gerade ein zweifach verurteilter ehemaliger Nationalrat zum Präsidenten der Tourismuskammer gewählt.

Und dies, obwohl er dadurch Chef seines Opfers wird und noch inmitten der vierjährigen Bewährungsprobe steckt.

Yannick Buttet
Die Wahl von Yannick Buttet steht in der Kritik. - keystone

Hallo? Wie kann das sein? Ein Mann belästigt eine Frau und wird nun ihr Chef?

Keine Frau eingeladen

Haben die Walliser keinen Besseren gefunden? Ach, was! Ich bin überzeugt, es gäbe kompetentere Alternativen.

Aber: Keine einzige Frau hat es in die erste Interviewrunde geschafft und dies, obwohl 90 Prozent der Führungsposten der Walliser Wirtschaftsorganisationen von Männern besetzt sind.

Diversität ist also dringend nötig! Aber im Wallis nimmt man offenbar lieber einen zweifach Verurteilten.

Kind oder Karriere?

Der Karriereschritt in den Vorstand oder in die operative Leitung kommt in den meisten Fällen in den Vierzigern.

Genau zur gleichen Zeit sind auch allfällige Kinder noch klein und viele Frauen reduzieren ihr Pensum.

Es scheint also für eine Frau mit Kindern schwieriger zu sein, einen Job zu finden, als für einen verurteilten Straftäter! Warum ist das so?

Die Wahl des neuen Präsidenten der Walliser Tourismuskammer sorgt für Wirbel. Ist Yannick Buttet wirklich die richtige Person?

Die Krux mit dem Alter

Frauen in den Vierzigern werden noch oft jung-geredet. Ich höre Sätze wie: «Sie sind doch noch jung. Lassen Sie sich Zeit. Warum bewerben Sie sich denn jetzt mit 40 schon für diesen Job? Ginge doch auch später.»

Gleichzeitig erleben Frauen, dass Sie mit 60 schon wieder «zu alt» seien. Ist das Alter etwa nur ein Vorwand?

Es geht um den Leistungsausweis, den Werdegang sowie die Persönlichkeit. Und nicht ums Geschlecht oder Alter.

Der Bewerbungsprozess

Oft werden Spitzenpositionen unter der Hand vergeben. Auch im Fall der Tourismuskammer gab es keine Stellenausschreibung.

Weil viele Positionen von Männern besetzt sind, wird der Job dann unter ihnen ausgehandelt.

Der ganze Bewerbungsprozess und die Auswahlkriterien der Tourismuskammer bleiben auch auf öffentlichen Druck hin intransparent und diffus.

Frauen verfügen wohl über ein grosses Netzwerk, sie werden aber im entscheidenden Moment nicht in Betracht gezogen, weil sie zu beschäftigt wirken (und ja noch eine Familie haben …).

Demütigend und irritierend

Was ich schon als Ausrede gehört habe: «Wir suchen eben nicht spezifisch eine Frau, sondern eine kompetente Persönlichkeit.»

So wenige weibliche Persönlichkeiten gibt es nicht, wie es Frauen in Spitzenpositionen gibt!

Ich wünschte mir, dass jeder CEO einmal jährlich den Bewerbungsprozess als Kandidat oder Kandidatin in seinem Unternehmen durchläuft.

Für Frauen sind die Fragen oft demütigend und irritierend.

Politik UND Wirtschaft

Die Vernetzung in die Politik sei ein wichtiges Kriterium bei der Wahl in eine Führungsposition in der Wirtschaft.

Während das politische Engagement von Männern gelobt wird, wird es bei Frauen argwöhnisch betrachtet. Wie geht das: Familie, Beruf UND Politik?

Interessant auch, wie besorgt da plötzlich alle um die Familie sind: «Bleibt da genug Zeit für die Familie?»

Dicke Haut

Ich höre auch Sachen wie: «Hoffentlich haben Sie einen Mann, der für die Familie sorgt». Und: «Wie alt sind denn Ihre Kinder?»

Was ich in Bewerbungsprozessen alles schon erlebt habe, ist einfach nur fies auf die Frau gespielt und es braucht eine dicke Haut dafür.

Eine dicke Haut brauchte derweil im Bewerbungsverfahren zum Tourismus-Boss keine Frau: Es wurde ja erst gar keine eingeladen. Tragisch!

Zur Person: Christina Bachmann-Roth ist Betriebsökonomin, Geschäftsführerin, Einwohnerrätin in Lenzburg und Präsidentin der Mitte Frauen Schweiz. Für Nau.ch schreibt sie regelmässig Kolumnen.

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