Dumm oder böse?

Reda El Arbi
Reda El Arbi

Zürich,

Holocaust-Mahnmal – war die Verwendung des Bildes Absicht oder ein Versehen? Unser Kolumnist sieht die Gefahr nicht in einem absichtlichen Nazi-Dogwhistle.

Reda El Arbi
Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.

Viele meiner linken Freunde sind überzeugt, dass die Verwendung des Bildes des Holocaust-Mahnmals für die SVP-Kampagne Absicht war. Sie sind überzeugt, dass dies nach Wurm- und Schlitzerplakaten, nach den rassistischen und fremdenfeindlichen Aktionen von Glarner und Konsorten nur eine weitere unappetitliche Aktion war, um die Leute am rechten Rand - und neu die antisemitischen Verschwörungstheoretiker - zu mobilisieren.

Ich glaube das nicht. Nicht mal die SVP-Freizeitcampaigner sind so dumm, dass sie die Shoa als politisches Instrument benutzen. Während man mit Hetze gegen Ausländer durchaus Politik machen kann, ist die Verwendung des Holocaust für niedere politische Zwecke der beste Weg, politischen Selbstmord zu begehen. Damit hat schon manch ein Politiker seine Karriere beendet, auch ausserhalb der SVP.

Am Deutlichsten sieht man es an der Reaktion der Partei: Die Mannen in der SVP entschuldigen sich niemals, niemals, niemals für ihre bewusst gewählten Provokationen, egal wie eklig sie auch sind. Beim Mahnmal-Bild war aber innerhalb von zwei Stunden eine offizielle Entschuldigung draussen. Zudem hatten die bisherigen Kampagnen-Provokationen immer ein gezieltes Feindbild. Beim Mahnmal-Bild kann man nicht mal mit der dümmsten Argumentation einen inhaltlichen Zusammenhang zur Kündigungsinitiative herstellen.

SVP Begrenzungsinitiative
Mit diesem Post wirbt die SVP Zürich für die Begrenzungsinitiative. - Screenshot Twitter

Wer denkt, die SVP würde mit dem Bild die Wähler am rechten Rand ins Boot holen, ignoriert, dass die alle bereits im Boot sind. Die SVP kann rechts nichts mehr gewinnen, dafür brechen ihnen die normalen, konservativen Wähler und die Mehrheiten mit anderen Parteien weg, wie man in den letzten Wahlen und Abstimmungen sehen konnte. Das letzte, was die SVP will, ist, mit einem Kampagnenbild in die Welt hinausrufen "Wir sind Nazis". Intern gab für diesen Riesengau auch ziemlich Schimpfis, wie mir zugetragen wurde.

Also, es war nach meiner Erfahrung als Kommunikationsprofi keine Absicht. Dann ist ja alles gut? Schwamm drüber?

Im Gegenteil! Es ist um so schlimmer! Mit ein paar Hassbratzen, die gerne mit Nazi-Symbolen provozieren, würden wir leicht fertig. Dass man aber als (rechter) Politiker das wichtigste Mahnmal gegen den grössten Massenmord der Geschichte nicht kennt, ist eine Schande und der echte Skandal.

In der gestrigen Diskussion mit SVP-Vertretern kam immer wieder die Ausrede, dass man ja ein «deutsches Mahnmal» nicht kennen müsse. Und das macht mir wirklich Angst, lässt es mir kalt den Rücken runterlaufen. Politiker, die meinen, man müsse die Geschichte oder die Aufarbeitung der Shoa nicht mehr kennen, sind eine Gefahr für die Schweiz und Europa. Und es ist nicht überraschend, dass es gerade die Politiker sind, deren Partei immer wieder Kampagnen in einer Bildsprache in der Nähe der NSDAP (Würmer, Schlitzer, etc) kommunizieren, es nicht für nötig befinden, sich mit der Nazi-Vergangenheit Europas - und auch der Schweiz - auseinanderzusetzen.

Diese Verweigerer der Geschichte, diese Ignoranten, sind vielleicht noch keine Antisemiten, aber ihre Geisteshaltung öffnet Tür und Tor für den neu aufflammenden Antisemitismus. In einer Zeit, in der wieder Synagogen angegriffen werden, in der Leute wie Attila Hildmann Hitler beschwören, in der unsere jüdischen Mitbürger ihre Kippas aus Angst nicht mehr auf der Strasse tragen, ist die Geschichtsverweigerung von Rechtspopulisten eine Art passive Billigung des Antisemitismus und der allgemeinen, tödlichen Hassbotschaften der Nazis, Rassisten, Fremdenhasser, die dann zu Gewalttaten führen.

Halle Anschlag
Die durch Beschuss beschädigte Tür der Synagoge in Halle (D). Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa - sda - Keystone/ZB/Hendrik Schmidt

Diese Ignoranz, diese Geschichtsblindheit, ist die eigentliche Gefahr, gerade wenn man selbst Politik mit Abwertung und Feindbildern macht. Zusammen mit den echten Dogwhistle in der Partei, also einem Oskar Freysinger, der eine Reichskriegsflagge stolz im Büro hängen hat, oder einem Roger Köppel, der mit seinem Notizblock an einer deutschen Nazi-Demo mitmarschiert oder Lobeshymnen auf Göring schreibt, sollte man sich bewusst sein, wohin das alles führen kann.

Denn wer die Geschichte ignoriert, sie absichtlich leugnet, oder einfach nicht aus ihr lernt, ist verflucht, sie zu wiederholen. Und das lassen wir Demokraten nicht noch einmal zu.

Zum Autor: Reda El Arbi ist 50-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.

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