Hans-Ulrich Bigler: «Baumeisterverband sorgt für Kopfschütteln!»
«Es bleibt zu wünschen, dass der Baumeisterverband zurückkehrt zu einer konstruktiven und soliden bürgerlichen Politik», findet Hans-Ulrich Bigler.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Präsident des Baumeisterverbandes habe zu Unrecht Senioren im Visier.
- Wer im Alter viel Fläche belege, solle höhere Steuern zahlen.
- Damit ist Hans-Ulrich Bigler in seiner Kolumne gar nicht einverstanden.
Erstaunt rieb man sich dieser Tage die Augen ob des absurden Vorschlags seitens Gian-Luca Lardi, Präsident des Schweizerischen Baumeisterverbandes. Wer seiner Meinung nach im Alter zu viel freie Wohnfläche beansprucht, soll künftig eine Steuer zahlen oder gefälligst in eine kleinere Wohnung umziehen.
Doch auch gegenüber den Gewerkschaften scheint sich der Baumeisterpräsident ins Abseits zu manövrieren.
Der Reihe nach. Anlass für die Forderung bot der Tag der Bauwirtschaft in Zürich. Im Vorfeld und um offenbar auf den Event aufmerksam zu machen, gab der Präsident verschiedene Zeitungsinterviews.
Präsidenten verliess jegliche freiheitliche Vernunft
Zunächst blieb er bei Vorschlägen, die einer ordnungspolitischen Agenda entsprechen, wie man es eigentlich von dieser bürgerlichen Branchenorganisation gewohnt ist. Um mehr Wohnraum zu schaffen, schlug er unter anderem Umnutzung von Büroflächen in Wohnungsraum vor, Aufstockungen bei Mehrfamilienhäusern und Verdichtung nach innen.
Doch dann verliess den Präsidenten jegliche freiheitliche Vernunft: Wer viel Fläche belegt, soll höhere Steuern zahlen. Vorstellbar sei auch, dass steuerlich belohnt werde, wer auf weniger Quadratmetern lebe. So lässt er sich im «Tages-Anzeiger» zitieren.
Im Visier hat er offenbar insbesondere die Senioren: «Mit Blick auf den Wohnungsmangel muss es sich für ein älteres Ehepaar lohnen, von einem zu gross gewordenen Haus in eine kleinere Bleibe umzuziehen.»
Einen derartigen Vorschlag zum Eingriff in die in diesem Lande Gott sei Dank verfassungsmässig garantierte Eigentumsfreiheit muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Was ist mit Katze und Hund?
Im Klartext und sauber durchgedacht: In der konkreten Umsetzung müsste der Staat definieren, wie viel Wohnraum bzw. Wohnfläche in welchem Alter überhaupt zulässig ist. Im Sinne der Gleichbehandlung müsste das nicht nur für die Wohneigentümer gelten. Gleiches «Recht» käme selbstverständlich auch den Mietern zu. Geklärt werden müsste natürlich auch, ob die Katze und der Hund ebenfalls ein gewisses Mass an Wohnraum beanspruchen könnten.
Die Aussage von Lardi, ebenfalls im «Tagi», «zögen Menschen aus zu grossen Wohnungen aus, würde es mehr Wohnraum geben und die Marktmieten würden wegen des deutlich grösseren Angebots sinken», ist von entwaffnender Naivität. Der Markt würde eben gerade nicht spielen, weil der Staat bestimmen würde, wer in welchem Alter wie viel Wohnraum beanspruchen dürfte oder eben umgesiedelt würde.
Bereits hört man natürlich das Gegenargument, die Wohneigentümer könnten ja bleiben, wenn sie die Steuer bezahlen würden. Das würde natürlich stimmen, nur wäre dann ausser höheren Steuern für den Wohneigentumsbesitzer überhaupt nichts gewonnen.
Mit anderen Worten taugen derartige Vorschläge nichts, führen zu einer höheren und unerwünschten Regulierung und Bürokratisierung. Und schliesslich entspringen sie der Mottenkiste des Sozialismus.
Doch dies ist nicht das einzige Vorgehen, mit dem sich Lardi offenbar ins Abseits manövriert. Gleiches zeichnet sich nämlich auch im Verhältnis mit den Sozialpartnern ab. So kritisieren die Gewerkschaften Unia und Syna in einem E-Mail den Baumeisterverband wie folgt: «Wenn der Baumeisterverband wider besseres Wissen eine öffentliche Kampagne gegen die eigenen Vertragspartner startet (die Gewerkschaften, sic) und ihnen vorwirft, dass sie ‹missbräuchlich› paritätische Gelder ‹zweckentfremden› und auch noch gegen rechtliche Bedingungen und die Seco-Weisung verstossen, dann ist unser Vertrauen in die Integrität des Baumeisterverbandes stark beeinträchtigt.»
Im Text von Mitte Juni, der dem Schreibenden vorliegt, fahren sie fort, dass der Vollzug des Landesmantelvertrages nicht mehr wie bisher schwergewichtig von den Geschäftsstellen des Baumeisterverbandes durchgeführt werden könne. Deshalb wollen sie das Budget für 2025 nur dann freigeben, wenn die Vollzugsarbeiten paritätisch ausgeführt würden. Die Zeichen stehen also auf Sturm.
Weiteres Ungemach droht
Doch weiteres Ungemach droht. Mit einem dem Schreibenden ebenfalls vorliegenden Brief von Ende Juni reklamiert ein Sektionsmitgliedsverband, dass weder im Zentralvorstand noch mit den Sektionspräsidenten in dieser Frage «eine vertiefte Interessensabwägung» stattgefunden habe. Ebenso wenig sei das weitere Vorgehen definiert worden. Offenbar handelt es sich also um einen Alleingang des Präsidenten des Baumeisterverbands.
Ungläubiges Kopfschütteln
Mit Kritik wird denn auch nicht zurückgehalten. In harten Worten hält das Sektionsmitglied im Schreiben fest, dass weder Nutzen noch Strategie in einer solchen Vorgehensweise feststellbar wären. Man spreche von einem Nebenschauplatz. Weiter seien erste Reaktionen aus den Baufirmen geprägt von Unverständnis und etlichen Fragezeichen. Der Handlungsbedarf zur eigenen Positionierung sei nun dringlich.
Wo man hinhört: Das Unverständnis angesichts dieses sozialistischen Vorschlags für eine Wohnflächensteuer ist gross und löst in bürgerlichen Kreisen ungläubiges Kopfschütteln aus.
Es bleibt zu wünschen, dass der Baumeisterverband zurückkehrt zu einer konstruktiven und soliden bürgerlichen Politik.
Mit Blick auf die gewerkschaftspolitischen Gewitterwolken wäre zudem zunächst die Lösung der eigenen Hausaufgaben wesentlicher als politakrobatische Experimente.
Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.