Hass und physische Gewalt: Queerfeindliche Straftaten nehmen zu!
Verena Brunschweiger läuft selbst an den Christopher-Street-Day-Paraden (CSD) mit. Auch, weil man Rechtsradikalen nicht kampflos das Feld überlassen darf.
Das Wichtigste in Kürze
- Unsere Kolumnistin verfolgt die LGBTQIA+-Entwicklung seit über zwanzig Jahren.
- Queerfeindliche Straftaten haben in den letzten Jahren zugenommen.
- In Italien und auch in Deutschland werden Trans-Menschen sogar ermordet.
- Eine Kolumne über die Gefahren von Verena E. Brunschweiger.
Christopher-Street-Day-Paraden (CSD) sind glücklicherweise nicht mehr wegzudenken aus westeuropäischen Sommern. Als das personifizierte B in LGBTQIA+ verfolge ich seit über zwanzig Jahren die Entwicklung des CSD weltweit in den Medien und persönlich in Regensburg.
Während ich Anfang der Nuller Jahre noch mit einer Handvoll Leute auf dem Haidplatz herumstand, sind es mittlerweile Tausende, die mit der queeren Community zusammen feiern. Sie zeigen, dass Diversität mittlerweile doch auch in Bayern als etwas Positives gesehen wird.
Neo-Nazis laufen auf
Umso schockierender, dass dieses Jahr aufgrund des immensen Rechtsrucks, den wir nahezu gesamteuropäisch erleben, erstmals mehrere Gegen-Demos angemeldet worden sind.
Im Osten Deutschlands sah die Sache deutlich düsterer aus: Dort waren zum Teil mehr Rechtsradikale als CSD-Teilnehmende. Eine unfassbare Entwicklung!
Über 80 Prozent gegen Homo-Ehe
Gut, auch 2001 klagten bereits Bayern, Thüringen und Sachsen gegen die sogenannte Homo-Ehe. In der Schweiz gab es eine Befragung bei «TeleZüri», die ich live mitbekam, weil ich 2019 im Studio zu Gast war. Diese brachte ein nicht minder schockierendes Resultat: über 80 Prozent der Befragten waren gegen die Homo-Ehe!
Leider wird es auch innerhalb der Community wieder konservativer. So finden es ältere radikalfeministische Lesben in den USA betrüblich, wenn junge Lesben im Nachahmen der Heteronormativität etwas Erstrebenswertes sehen.
Lesbische Paare mit künstlichen Befruchtungen
Eine Journalistin berichtete mir in zahlreichen Zoom-Gesprächen über diese traurige Entwicklung. Einer der Vorteile, lesbisch zu sein, wäre doch gerade, nicht heiraten und schwanger werden zu «müssen».
Dennoch gibt es immer mehr lesbische Paare, die keine Kosten und Mühen scheuen, sich künstlich befruchten zu lassen.
Biologische Elternteile hochgradig narzisstisch
Die Journalistin selbst ist adoptiert und fragt logischerweise, was denn dagegenspräche, jemandem zu helfen, der bereits existiert… Ihre Adoptiveltern stellten sich als echter Glücksfall heraus. Nachdem sie beide biologischen Elternteile kennengelernt hat, die sie als hochgradig narzisstisch beschreibt, ist sie für jeden Tag dankbar, den sie bei dem Paar verbringen durfte, das sie als Baby zu sich genommen hatte.
Wie die englische Publizistin Julie Bindel schon vor Jahren schrieb, hätte sie mittlerweile mehr Negativreaktionen, weil sie kinderfrei ist, als Hate-Mails, die ihr Lesbischsein betreffen.
Queerfeindliche Straftaten nehmen zu
Völlig egal, ob man als Schwuler, als Lesbe, als nicht-binärer Mensch verheiratet ist oder nicht – der Anstieg queerfeindlicher Straftaten in den vergangenen Jahren betrifft sie alle – und er betrifft uns alle.
In Hessen beispielsweise wurde 2023 eine Steigerung um 33 Fälle auf 83 Fälle im Vergleich zum Jahr 2022 festgestellt und wir reden hier nicht «nur» von online-Beleidigungen, sondern Hass, Hetze und physischer Gewalt.
Nicht nur in Italien werden Trans-Menschen ermordet, das passiert auch in Deutschland. Auch bei uns stehen Homosexuelle am Bahnsteig, und AfD-Anhänger brüllen ihnen ins Gesicht, dass sie ihnen die Kehle durchschneiden werden.
Ein schwuler Freund aus Regensburg berichtete, er wäre nie völlig ohne Angst mit seinem Freund händchenhaltend durch die Stadt geschlendert. Aber 2024 hätte er sich noch unsicherer gefühlt.
Mainstream-Heteros in der Minderzahl
Das ist ein Gefühl, das sich der heterosexuelle Mainstream nicht vorstellen kann, teilweise nicht vorstellen will. Man kann dazu beispielsweise nach Provincetown, Massachusetts, reisen.
Eine Stadt in den USA, die so beliebt ist bei Menschen der LGBT-Community, dass die Mainstream-Heteros in der Minderheit sind.
Oder man unterhält sich mit Leuten, die nicht der binären Matrix unterworfen sind, liest, was sie an Diskriminierungen im Alltag erleben. In einer Zeit, in der so massive, so zahlreiche Angriffe auf unsere Demokratie erfolgen, ist es unabdinglich, das zu tun. Check your privilege!
Und unterstütze den nächsten Christopher-Street-Day in deiner Stadt. Aus Solidarität, damit die LGBT-Community spürt, dass sie nicht allein gelassen wird. Und damit Rechtsradikale spüren, dass man sich nicht feig wegduckt – und ihnen einfach kampflos das Feld überlässt.
Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg in Deutschland. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.