Liebe

Liebe Eltern, eure Misere ist nicht die Schuld der anderen!

Verena E. Brunschweiger
Verena E. Brunschweiger

Zürich,

Viele Eltern bleiben lange daheim, wenn das Kind krank ist. «Das stösst kinderfreien Kollegen sauer auf», schreibt Verena Brunschweiger.

Rachitis
ist das Kind krank, fehlen oftmals die Eltern auf der Arbeitsstelle. - Mascha Brichta/dpa-tmn/Illustration

Das Wichtigste in Kürze

  • Die deutsche Autorin Verena Brunschweiger schreibt auf Nau.ch Kolumnen.
  • Diesmal schreibt Brunschweiger über die Nachteile von Kinderlosen am Arbeitsplatz.

Alle kennen Mamis und Papis, die schier endlos darüber jammern können, dass der Arbeitgeber ach so gar nicht berücksichtige, dass sie doch vor allem eins sind: Mamis und Papis!

Dabei bekommen Eltern zahlreiche Vergünstigungen, die zum Teil gesetzlich vorgeschrieben sind. Dabei gehört den «Eltern Honig ums Maul Schmieren» (Breeder Pleasing) fest zur deutschsprachigen Welt dazu.

Man ahnt es schon: Im angloamerikanischen Bereich gibt es bereits viel mehr Stimmen, die auf die teilweise massive Diskriminierung kinderfreier Arbeitnehmender aufmerksam machen.

Wer übernimmt die unbeliebten Schichten?

Eine davon ist Amanda Marcotte. Sie ist eine Journalistin, die schon 2013 den Artikel «Familienfreundliche Arbeitsplätze sind toll, ausser man hat keine Kinder» veröffentlicht hat.

Darin beschreibt sie, wie vor allem Single-Frauen am Arbeitsplatz schamlos ausgenutzt werden, da ihr Privatleben als unwichtig erachtet wird.

Verena Brunschweiger
Nau.ch-Kolumnistin Verena Brunschweiger. - zvg

Beispielsweise dann Ferien nehmen, wenn sonst keiner welche will. Oder die unbeliebten Schichten an Feiertagen, Abenden oder an den Wochenenden übernehmen.

Alles Dinge, was niemandem «mit Familie» zumutbar ist, bürdet man der Kollegin ohne Kinder auf.

Anti-Diskriminierungsgesetze missachtet

Als würde das Mobbing, das diese zusätzlich oft aushalten muss, weil sie sich ja erdreistet, traditionelle Rollen abzulehnen, nicht schon völlig ausreichen!

In manchen Branchen darf man sogar nur als Vater oder Mutter unterhälftige Teilzeit arbeiten.

Werden Kinderlose wirklich am Arbeitsplatz benachteiligt?

Leute mit anderen Gründen müssen mindestens fünfzig Prozent machen. Obwohl das zumindest in Deutschland gegen diverse Anti-Diskriminierungsgesetze verstösst, ist diese Praxis nach wie vor «en vogue». Beschwerden brachten bislang nichts.

Auch die Tatsache, dass zahlreiche Eltern einfach tagelang daheimbleiben, wenn das Kind krank ist, stösst kinderfreien Kollegen (die nur fehlen, wenn sie selbst arbeitsunfähig sind) verständlicherweise sauer auf.

«Chef musste spontan weg ...»

Ein Lehrer beispielsweise wurde ein ganzes Schuljahr gefühlt jeden zweiten Dienstag früher reinbeordert, um eine Mutter zu vertreten, die regelmässig beim kranken Kind blieb.

Auch bei Chefs scheint diese Haltung um sich zu greifen. «Er musste spontan weg, wegen der Kids», erzählte mir eine Bekannte über ihren Vorgesetzten. Und schien das völlig in Ordnung zu finden.

Sorry, aber keinem kinderfreien Menschen würde einfallen, mitten am Tag alles stehen und liegen zu lassen – und zu trompeten, man «müsse» jetzt weg.

Aber zum Glück für solche gibt es ja die gutmütigen Kollegen ohne Kinder, die dann die ganze Arbeit machen. Und hinter den Eltern herräumen wie selbige hinter ihren Kindern.

Angeblich sind Eltern ja so verantwortungsbewusst. Man fragt sich allerdings, was sie ihren Kindern vermitteln, wenn sie ihnen zeigen, dass man in der Arbeit nicht zuverlässig sein muss, sobald man sich reproduziert hat …

Leute mit Kindern werden besser behandelt

2022 veröffentlichte Dominique Goldschmitt in den USA die Studie «Wie ist es so als kinderfreier Arbeitnehmer?» («What’s It Like Being Childfree At Work?») mit 938 Teilnehmenden. Davon waren gegen achtzig Prozent Eltern.

Das Resultat: 74 Prozent der Befragten gaben an, dass Leute mit Kindern in der Arbeit besser behandelt würden!

Eltern jammern auf höchstem Niveau

Ob bei uns eine derartige Ehrlichkeit zu finden wäre? Aber bei uns werden solche Studien ja gleich gar nicht durchgeführt. Bei uns beherrschen die Eltern, die auf höchstem Niveau jammern, den Diskurs!

Dabei machen sie die Arbeit anderer unnötig schwer. Beispielsweise die von Kellnerinnen und Kellnern. Nicht nur die unzähligen Sonderwünsche von Eltern, die natürlich alle nichts kosten dürfen, sind bekannt. Manche Etablissements in den USA verlangen von Familien einen Zuschlag, weil deren Tisch (und der Umkreis im Radius von mindestens drei Metern) immer viel dreckiger ist.

Restaurant mit Kindern
Nicht in allen Restaurants sind Kinder gleichermassen willkommen. - Depositphotos

Viele Eltern bringen leider nichts mit, um die Kinder altersgerecht zu beschäftigen. Und so wundert man sich wenig, wenn diese dann plärrend durchs ganze Lokal und den Kellnern vor die Füsse laufen.

Liebe Eltern, andere Menschen sind nicht Schuld an eurer Misere!

Statt sich also auch noch über kinderfreie Menschen aufzuregen, könnte man sich zur Abwechslung mal bedanken, wenn ein(e) Kollege/Kollegin ohne Kind die Arbeit macht. Eine, die man leider nicht selbst schaffte, weil man ja «wegen der Kids weg musste».

Oder darauf achten, dass die Kinder erzogen werden, damit die Jobs anderer nicht noch anstrengender werden.

Ganzes Jahr Ostern für Zoo-Mitarbeiter

Das letzte Wort hat ein genervter Zoo-Mitarbeiter: Er fühle sich beständig wie an Ostern. Dies, weil Eltern ihren Abfall keineswegs in die alle zwei Meter extra aufgestellten Tonnen und Eimer entsorgen, sondern so kreativ verstecken, dass das Personal sich das ganze Jahr über Ostergeschenke der besonderen Art freuen kann. Dies gelte auch und gerade für volle Windeln.

knie
Kinder im Zoo. - Nau.ch

Ebenso die Konversation solcher Eltern mit ihren Kindern, die vor allem im Bereich der Aquarien so laut sein müsse, dass man es bis zum Affengehege rüber hört.

Treffen sie andere Eltern, werden die Kinderwägen prinzipiell so geparkt, dass niemand sonst mehr ohne anspruchsvollsten Hindernislauf daran vorbeikommt. Und die Anweisungen des Personals werden als nette Scherze, denen man keinesfalls Folge leisten muss, interpretiert.

Auch grosse Plaketten wie «Nicht füttern», «Nicht an die Scheibe klopfen» werden eher als unterhaltsame Sinnlosigkeiten wahrgenommen. Und wenn ein Junge einen Ast oder einen Stein auf ein Tier zu pfeffern versucht, besteht auch keinerlei Veranlassung, ihn vom Ausleben seiner Kreativität abzuhalten.

Keine Frage: Da besteht dringender Handlungsbedarf.

Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.

Kommentare

User #3565 (nicht angemeldet)

Eltern sind nun mal die wichtigeren Personen. Sie ziehen deine AHV und Pensionskasse heran.. Und was machst du?

User #4879 (nicht angemeldet)

Wer Kinder will oder hat macht das freiwillig, warum könnt ihr eure Erzeugnisse nicht selber finanzieren und euer Leben danach planen. Kommt mir nicht mit der AHV, zahlt zuerst die erhaltenen Kindergelder, die KK-Vergünstigungen den Vaterschafts-/ Mutterschaftsurlaub usw. zurück.

Weiterlesen

Kolumne
132 Interaktionen
Eine von drei Frauen
Brunschweiger Kolumne
559 Interaktionen
Kolumne
kolumne Brunschweiger
307 Interaktionen
No Kids
Geld sparen
Altersvorsorge

MEHR LIEBE

mann und frau streiten
1 Interaktionen
Trauma-Bonding
Paar umarmt sich
Limerenz vs. Love
14 Interaktionen
TV-Duell
die giovanni zarrella show
6 Interaktionen
Heiratsantrag live

MEHR AUS STADT ZüRICH

Schweizer Leitindex SMI
Erneut im Plus
Fehr
30 Interaktionen
«Besserwisser»-Eklat
ZSC Lions EHC Kloten
1:0-Heimsieg
osterhase migros coop
56 Interaktionen
«Komisch»