Meret Schneider: «Legehennen werden nach Ostern ‹entsorgt› ...»
Einst diente das Eierfärben dem Vermeiden von Foodwaste. Heute ist es umgekehrt. Kolumnistin Meret Schneider sagt, bei der Hühnerzucht muss umgedacht werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Zu Ostern lieben es die Menschen, Eier zu färben.
- Einst entstand dieser Brauch, um Foodwaste zu begrenzen – heute ist es ganz anders.
- Anstatt Legehennen nach Ostern zu «entsorgen», sollten diese lieber weitergenutzt werden.
- Meret Schneider schreibt regelmässig Kolumnen auf Nau.ch.
Alle Jahre wieder wird gefärbt und getütscht: Es dreht sich alles ums Ei. Der Brauch des Eierfärbens stammt aus der Zeit, in der vor Ostern gefastet wurde, die Hühner jedoch weiter Eier legten.
Um zu kennzeichnen, welche Eier wann gelegt wurden, wurden sie gekocht und je nach Legedatum unterschiedlich eingefärbt.
Aus dem Überschuss von damals entstand die Tradition des Eierfärbens. Während es früher darum ging, durch die farbigen Eier Foodwaste zu vermeiden, haben wir heute den Spiess umgedreht und die Tradition ad absurdum geführt.
Denn um die Eier in diesem begrenzten Zeitraum zu produzieren, werden die Hühnerbestände massiv aufgestockt und die Legehennen nach Ostern wieder «entsorgt».
Plötzlich führt das Eierfärben zu enormer Verschwendung
Statt Foodwaste zu verhindern, produzieren wir mit der Eiertradition nun Foodwaste in dekadentem Ausmass, da viele der Legehennen nicht verzehrt, sondern zu Biogas verarbeitet werden.
Dies ist jedoch nicht die einzige Absurdität, die in der globalen und leider auch schweizerischen Eierproduktion Standard ist. Um ein Verständnis dafür zu erhalten, lohnt sich ein Blick zurück.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren Hühner Zweinutzungstiere. Die Weibchen wurden für das Eierlegen und die Männchen für die Fleischproduktion genutzt.
Dies änderte sich in den 1960er-Jahren, als eine Aufspaltung in der Hühnerzucht stattfand: Bestimmte Hühnerrassen wurden auf hohe Eierproduktion gezüchtet, während andere auf hohen Fleischzuwachs optimiert wurden.
Dadurch liessen sich grössere Leistungssteigerungen erzielen: der Beginn der heutigen Hochleistungszucht. Weltweit gibt es heute nur noch drei nennenswerte Zuchtkonzerne, die die gesamte Legehennen-Genetik in ihren Händen halten – EW Group (Deutschland), Hendrix/Nutreco (Niederlande) und Natexis/Groupe Grimaud (Frankreich). Diese beliefern den gesamten Weltmarkt der Eierproduktion.
Die Schweizer Geflügelzucht wurde so gut wie eingestellt und auch hier importieren wir sämtliche Elterntiere aus dem Ausland.
Klar, die Ostertradition ist uns ans Herz gewachsen – doch die Beibehaltung des aktuellen Rekordkonsums können wir nur auf Kosten der Umwelt, unserer Unabhängigkeit von globalen Zuchtfirmen und der überzüchteten Hühner gewährleisten.
Und natürlich, um eine Schweizer Geflügelzucht wieder einzuführen und rein auf Zweinutzungshühner zu setzen, bräuchte es Investitionen und eine höhere Zahlungsbereitschaft für Eier und Hühnerfleisch – die aktuell nicht vorhanden zu sein scheint.
Zeit nach Ostern zur «Suppenzeit» erklären
Aber wenn wir Zweinutzungshühner wollen und möchten und dass Bauern ihre Tiere so artgerecht halten wie möglich – und das scheint gemäss Umfragen in der Bevölkerung Konsens zu sein –, kommen wir daran nicht vorbei. Wir müssen den Import stärker einschränken, die Produktion zurückfahren und höhere Produzentenpreise entrichten.
Viele Bauern würden nämlich gern Legehennen als Suppenhühner auf den Markt bringen, statt sie zu entsorgen, doch die Nachfrage ist nicht da. Stattdessen importieren wir einen grossen Teil der konsumierten Pouletbrust aus Brasilien und Slowenien. Um nun zurückzukommen auf Bräuche, die Foodwaste verhindern könnten, schlage ich vor, die «Suppenzeit» nach Ostern bis zur Auffahrt einzuführen.
Bis dann werden sämtliche Legehennen statt in der Biogasanlage im Suppentopf verwertet. Das löst die Problematik der Hybridzucht zwar noch nicht, doch wäre es ein Schritt Richtung Zweinutzungspraxis, würde zu einer Entlastung des Budgets führen (Suppenhühner sind günstiger als Filet) und würde ein Bewusstsein schaffen für die Konsequenzen von solch unschuldigen Bräuchen wie dem Eiertütschen.
Wer tütscht, muss auch suppen – und wer nach Ostern das Filet durch das Suppenhuhn ersetzt, kann sich dafür auch die teureren Freiland-Bruderhahn-Eier leisten.
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Zur Person: Meret Schneider (31) war bis vor Kurzem Mitglied des Schweizer Nationalrats (2019 bis 2023). Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.