Meret Schneider: Tierquälerei stoppen – die Stopfleber verbieten!
Die Schweiz gehört zu den weltweit grössten Stopfleber-Importeuren. Bald kommt eine Initiative für ein Importverbot. Eine Kolumne von Meret Schneider.
![Käfig, Zwangsfütterung, Gänse, Enten, Stopflederproduktion](https://c.nau.ch/i/BJXg21/900/kafig-zwangsfutterung-ganse-enten-stopflederproduktion.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Die Initiative für ein Importverbot von Stopfleber wird bald im Parlament thematisiert.
- Beim «Gänse-Stopfen» werden Enten und Gänse ganz offensichtlich gequält.
Die Stopfleber ist ein Thema, das wieder an politischer Aktualität und Brisanz gewinnt.
Die Behandlung der Initiative für ein Importverbot von Stopfleber in den zuständigen Kommissionen des Parlaments steht an. Lanciert und getragen wird diese von der «Organisation Alliance Animale Suisse».
Obwohl es sich bei der Praxis des «Gänse-Stopfens» um eine Tierqualpraxis erster Güte handelt, scheint das Thema (ausser in dezidiert tierschützerischen Kreisen) auf wenig Resonanz und Herzblut zu stossen.
Kulturgut in der Romandie nicht verbieten
Es handle sich dabei um eine Nischenthematik. Die Schweiz spiele da eine untergeordnete Rolle. Und: Man wolle den Konsumierenden in der Romandie ihr Kulturgut nicht verbieten.
![Meret Schneider](https://c.nau.ch/i/bmOmMx/900/meret-schneider.jpg)
Diese und andere Sätze hört man von den Gegner*innen eines Importverbots, die interessanterweise nicht nur im Lager der bürgerlichen, sondern auch der linken Kräfte zu verorten sind.
Schmerzen und Atemnot bei Enten und Gänsen
Wohl gibt es kaum glühende Befürworter der Praxis des «Gänse-Stopfens». Dabei werden Enten und Gänse auf engstem Raum in Gemeinschaftskäfigen gehalten. Sie werden so lange zwangsernährt, bis ihre um das Zehnfache vergrösserte Leber krank wird.
Der Druck auf die Organe verursacht Schmerzen und Atemnot. Und das für die Stopfmast verwendete Rohr verletzt die Speiseröhre, wodurch diese zum Teil bei vollem Bewusstsein des Tieres reisst.
Doch scheint diese offensichtliche Tierqual nicht genug ins Gewicht zu fallen, um die Argumente der Kultur und des geringen Impacts der Schweiz zu entkräften.
Es wird also Zeit, einen Blick hinter die Fassade der dünnen Argumentation zu werfen, die bereits zu bröckeln beginnt, wenn man sie nur leicht auf ihre Stichhaltigkeit abklopft.
![Foie gras](https://c.nau.ch/i/ZPpgkn/900/foie-gras.jpg)
Die Schweiz ist mittendrin
Der Argumentation, die Schweiz spiele in dieser Problematik keine grosse Rolle, steht die traurige Tatsache entgegen, dass die Schweiz zu den weltweit grössten Stopfleber-Importeuren gehört – und auf dem Weltmarkt diesbezüglich eine wichtige Rolle spielt.
2023 wurden rund 194 Tonnen «Foie gras» in die Schweiz importiert. Dies primär aus Frankreich, wo vier Grosskonzerne (namentlich Maïsadour, Euralis, Groupe Larnaudie und Lur Berri) den Weltmarkt dominieren.
Die grossen französischen Industriekonzerne stehen regelmässig im Mittelpunkt von Kontroversen und Skandalen. Sei es wegen Verstössen gegen das Tierwohl, Problemen bei der Produkthygiene – oder menschenrechtlich fragwürdigen Zuständen.
Verzicht wäre wichtiges Signal
Anders als aufgrund der geringen Grösse der Schweiz anzunehmen wäre, stellt sie für die Konzerne eine wichtige Abnehmerin dar.
Ein Verzicht auf den Import zugunsten von Geflügelleber, die ohne Stopfen auch in der Schweiz hergestellt werden könnte, wäre ein wichtiges internationales Signal. Und würde eine solch menschen- und tierunwürdige Produktion nicht länger befördern.
Insbesondere aus linker Perspektive stellt sich die Frage, warum Grosskonzerne, die unter menschenrechtswidrigen Bedingungen produzieren, zu Recht sanktioniert werden sollen, man bei den Zuständen der französischen «Foie gras»-Produktion aber offenbar beide Augen verschliesst.
![New York city](https://c.nau.ch/i/gBGm5K6ZyMVlJedOaYdQwyj14nDQzPk8wxoNXrLR/900/new-york-city.jpg)
Das zweite und ebenso häufig vorgebrachte Argument lautet, dass man den Menschen in der Romandie ihre Kultur und Tradition der «Foie gras» nicht nehmen möchte.
Auf den ersten Blick stellt sich mir da die Frage, warum man dann die Produktion verbietet.
Wenn «Foie gras» ein wichtiges Kulturgut ist, warum sie dann nicht in der Schweiz unter zwar tierquälerischen, aber zumindest menschenrechtlich einwandfreien Bedingungen herstellen, statt Industriekonzerne zu unterstützen?
Dies will aber interessanterweise zum Glück niemand. Auch nicht die «Foie gras»-Befürwortenden selber. Dass die Produktion katastrophal und verbietenswürdig ist, scheint also Common Sense zu sein.
Keine lange Tradition
Den Konsum möchte man aber mit Verweis auf die Tradition dennoch nicht einschränken, was widersprüchlich – und tatsächlich nicht einmal faktisch richtig ist.
Vor den 1990er-Jahren wurde Stopfleber in der Schweiz nämlich nur in geringen Mengen konsumiert. Von einer langen Tradition kann also nicht die Rede sein.
Erst in den 1990er-Jahren stiegen die eingeführten Mengen explosionsartig an. Und die «Foie gras» wandelte sich von einem «Luxusprodukt», das ursprünglich in geringen Mengen aus Gänseleber hergestellt wurde, zu einem industriell hergestellten Produkt, für das nun in grossem Mass Enten gestopft werden.
Auch kein «Hahneköpfen» mehr
Doch selbst wenn es sich um eine langjährige Tradition handelte, ist die Berufung auf ein «Das haben wir immer schon so gemacht» schlicht kein valides Argument.
So haben wir uns beispielsweise in der Schweiz vom «Hahneköppen» oder den «Katzenorgeln» (bei denen Katzen bei lebendigem Leib verbrannt wurden) aus gutem Grunde verabschiedet.
Und man braucht noch nicht einmal so drastische Beispiele heranzuziehen. Auch viele frauenfeindliche Fasnachtsbräuche und -traditionen werden weiterentwickelt und modifiziert, um mit unserer heutigen ethischen Gesinnung Schritt zu halten.
Interessanterweise stellt sich hier nie die Frage, tierquälerische oder frauenverachtende Traditionen um der Tradition willen zu bewahren. Zumindest nicht von linker Seite.
Importverbot von «Foie gras»
Ich hoffe also sehr, dass ein Importverbot von «Foie gras» zumindest von den links-grünen Kräften geschlossen unterstützt wird. Sei es aus tierethischen, menschenrechtlichen oder konzernkritischen Gründen.
Wer sich für Menschenrechte, das Wohl der Tiere und eine fortschrittliche Gesellschaft unter ethischen Gesichtspunkten einsetzt und sich dennoch für «Foie gras» ausspricht, sollte sich zumindest eine stringente Argumentation zurechtlegen. Und zwar eine, die über Traditionen und mangelnde Relevanz hinausgeht.
Zur Person: Meret Schneider (31) ist Mitglied des Schweizer Nationalrats. Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.