Tierversuchsverbot: Veganerin Meret Schneider (Grüne) sagt Nein
Die Grünen-Nationalrätin Meret Schneider gilt als die Tierschützerin in der Schweizer Politik. Dennoch lehnt sie das Tierversuchsverbot ab. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 13. Februar stimmt die Schweiz über die Initiative für ein Tierversuchsverbot ab.
- Im Parlament stimmte nicht einmal Nationalrätin Meret Schneider (Grüne) für das Anliegen.
- Tierversuche sind sowohl für Menschen als auch für Tiere nützlich, erklärt Schneider.
Die Initiative für ein Verbot von Tier- und Menschenversuchen kann mit einer einzigen Redewendung auf den Punkt gebracht werden: schlecht, schlechter, gut gemeint. Über wenige Abstimmungsvorlagen habe ich mir derart den Mund fusselig geredet und die Finger wund geschrieben wie über dieses Thema und dies, obwohl oder eher gerade, weil ich selber engagierte Tierrechtlerin bin.
Viel Unverständnis aus den eigenen Kreisen wogte mir entgegen, das nicht selten in einen Tsunami der Empörung und des Hasses mir gegenüber mündete, weil ich versuchte, in dieser Thematik rationale Argumente stärker zu gewichten als Bauchgefühle und Intuition.
Verständlich, denn das Anliegen, möglichst viel Tierleid zu reduzieren und einen schrittweisen Ausstieg aus den Tierversuchen zu ermöglichen, teile ich von ganzem Herzen und habe mich mit der Ausarbeitung zweier Gegenvorschläge im Parlament auch vehement dafür eingesetzt. Warum also lehne ich die Initiative dennoch ab und begründe dies mit dem Wohl sämtlicher empfindungsfähiger Lebewesen selber?
Initiative für Tierversuchsverbot schiesst weit über das Ziel hinaus
Der Teufel liegt, wie so oft, wenn Initiativen mit mehr Enthusiasmus als politischem Verständnis zustande kommen, im Detail. Die Initiative verbietet sämtliche Tier- und Menschenversuche unabhängig ihres Schweregrades, sowie den Import von Medikamenten, die an Tieren getestet wurden. Tierversuche werden nach Schweregraden klassifiziert, wobei Schweregrad Null keine Belastung darstellt (Beobachtungsstudien) und Schweregrad 3 die höchste Belastung bezeichnet.
Eine Initiative, die nun sämtliche Versuche verbietet, schiesst nicht nur weit über das gemeinsame Ziel hinaus, sondern schadet sogar. Im ausnahmslosen Verbot aller Tier- und Menschenversuche sind beispielsweise auch simple Beobachtungsstudien eingeschlossen, die den Tieren selbst zugutekommen wie Verhaltensstudien an sogenannten Nutztieren, um die Haltungsformen zu verbessern und das Tierwohl zu steigern.
In der Schweiz gelten jegliche Untersuchungen an lebenden Tieren, welche eine wissenschaftliche Frage beantworten sollen, als Tierversuch – auch dann, wenn die Massnahmen keine direkte Belastung für die Tiere darstellen und ihnen sogar zugutekommen.
Forschung mit Tieren auch fürs Tierwohl relevant
Nun könnte man sich fragen, warum dieses Verbot der Forschung an und mit Tieren fürs Tierwohl so relevant ist? Hier genügt ein Blick in die Geschichte: Der Anhaltspunkt, warum in der Vergangenheit Massnahmen zugunsten der Tiere getroffen wurden, wie beispielsweise das Verbot des Lebendkochen von Hummer, die Einstufung von Wirbellosen als empfindungsfähige Lebewesen und das Infragestellen unseres Umgangs mit nichtmenschlichen Primaten waren ausnahmslos wissenschaftliche Erkenntnisse.
Je mehr über die Komplexität der Empfindungsfähigkeit und des Sozialverhaltens der Tiere bekannt wurde, desto klarer konnte die Berücksichtigung ihrer Interessen legitimiert werden - und diesen Weg haben wir noch lange nicht zu Ende beschritten. Jeglicher weitere Erkenntnisgewinn würde mit dieser Initiative jedoch unterbunden, was beispielsweise für den Umgang mit Primaten und ein potenzielles Verbot von Primatenversuchen katastrophal wäre.
Aber nicht nur die nichtmenschlichen, auch die menschlichen Lebewesen hätten unter der Initiative zu leiden. So wäre auch unsere Gesundheit ohne medizinische Forschung an Menschen stark betroffen. Alleine schon Forschungsprojekte mit Kindern wie pädagogische Untersuchungen würden kategorisch verboten. Ebenso dürften keine Produkte, also auch Medikamente und Impfstoffe mehr importiert oder gehandelt werden, welche auf der Basis von Tierversuchen entwickelt wurden.
Ziel ist Ausstieg aus Tierversuchsforschung
Das ist unverantwortlich und unrealistisch. Ein Ausstieg aus der Tierversuchsforschung geht nur schrittweise und gemeinsam mit allen Akteuren. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, denn noch immer sterben und leiden jährlich bis zu 600'000 Labortiere, obwohl die Qualität und die Aussagekraft für den Menschen und seine Gesundheit immer öfter umstritten sind.
Auch schwer- und mittelschwer belastende Tierversuche, welche noch immer 30% der Tierversuche ausmachen, müssen dringend reduziert und die Haltungsbedingungen von Tieren in den Versuchen verbessert werden. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, doch wenn wir vorankommen wollen, müssen wir ihn über die Stärkung der Alternativen und die Investition in tierfreie Forschung gehen. Dafür setze ich mich mit vollem Engagement ein - für alle empfindungsfähigen Lebewesen, menschliche und nichtmenschliche.
Zur Autorin: Meret Schneider ist Nationalrätin (Grüne) und überzeugte Veganerin. Sie wohnt in Uster ZH.