Überhöhte Studien-Gebühren: Aufschrei ein Denkfehler!
Ausländische Studierende müssen für die Ausbildung in der Schweiz mehr bezahlen. Das sorgt für Diskussionen. Eine Kolumne von Hans-Ulrich Bigler.
Das Wichtigste in Kürze
- Ausländische Studierende müssen für ihr ETH-Studium 2025 höhere Gebühren bezahlen.
- Unser Kolumnist Hans-Ulrich Bigler versteht den Aufschrei nicht.
- Das sei ein akademischer Tunnelblick mit einigen Denkfehlern.
«Erhöhung der Gebühr stellt Bildungssystem auf den Kopf»: Mit dieser alarmistischen Aussage liess sich der scheidende Präsident der EPFL in Lausanne (das Pendant zur ETH in Zürich) letztes Wochenende zitieren.
Auf den ersten Blick möchte man meinen, unsere Universitäten und das gesamte Bildungssystem würden am Abgrund stehen. Auf den zweiten Blick zeigt sich ein akademischer Tunnelblick mit einigen Denkfehlern.
Leistung der EPFL verdient Respekt
Eines sei einleitend klargestellt: Die EPFL ist akademisch hervorragend aufgestellt. Dank dem scheidenden Präsidenten und seinem Vorgänger. So hat es die Technische Hochschule in Lausanne geschafft, im weltweiten Universitätsranking im Bereich IT und Künstliche Intelligenz den 11. Rang zu erringen. Diese Leistung verdient Respekt.
Gebühren der ausländischen Studis verdreifacht
So weit also alles gut. Doch nun kommt es: Der ETH-Rat, der auch die EPFL angehört, musste aufgrund des politischen Drucks aus Bundesbern die Semestergebühren der Studenten anpassen.
Allerdings betrifft dies nur die ausländischen Neustudierenden. Anstatt von heute 730 Franken verdreifacht sich die Gebühr neu auf 2190 Franken. Und hier hakt der EPFL-Präsident im «Tages-Anzeiger» ein. Diese Erhöhung ist so unerhört, dass offenbar gleich das gesamte Bildungssystem kurz vor dem Niedergang steht.
Anzahl der Studierenden in Lausanne verdoppelt
In dieser Kritik zeigt sich ein erstes Mal der akademische Tunnelblick. Zunächst wäre nämlich ein Vergleich mit Semestergebühren anderer Universitäten angebracht. Und da zeigt sich, dass es durchaus Universitäten in der Schweiz gibt, die heute schon höhere Gebühren verlangen.
Ein Denkfehler, wenn man deshalb vom Niedergang des Bildungssystems spricht! Dagegen sprechen nur schon die Entwicklung der Studentenzahlen insgesamt. So haben sich beispielsweise in Lausanne die Studierenden in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Gebühren im Ausland höher
Kommt hinzu und das ist der zweite Denkfehler, dass die Gebühren an ausländischen Universitäten vielfach markant über den schweizerischen Ansätzen liegen.
Wer sich an den ökonomischen Gesetzen orientiert, kommt rasch zum Schluss, dass sich ein junger Mensch im Ausland, der ausserhalb seiner Heimat studieren will, sehr wohl auch Gedanken macht, wie er sein Studium finanziert. Und dazu gehört nun einmal auch die Frage nach der Höhe der Semestergebühren als wesentlichem Budgetanteil.
Das preisgünstige Angebot, noch verstärkt durch das hervorragende internationale Ranking, ist da geradezu eine Einladung. Sogenannte «Bildungsausländer» machen denn auch an beiden ETH heute schon rund 30 Prozent bei allen Bachelor-Studierenden aus.
Grotesk ist schliesslich die Feststellung des EPFL-Präsidenten, mit der Gebührenerhöhung finde ein Paradigmenwechsel statt. Mit Verweis auf den angelsächsischen Raum moniert er, Bildung werde so zum Luxusgut.
Um gleich noch einen darauf zu setzen: «Das hat dazu geführt, dass populistische Kandidaten gewählt werden». Die nachgeschobene rhetorische Fragestellung «Wollen wir das?» gleich noch mit einer Gefährdung unserer Demokratie zu verknüpfen, hinterlässt – höflich formuliert – nur ein ungläubiges Kopfschütteln.
Das ist der dritte Denkfehler
Der dritte Denkfehler in dieser Argumentationsführung ist gleichzeitig der grösste und entlarvt den akademischen Tunnelblick schonungslos. Das Bildungssystem wird ausschliesslich aus dem akademischen Elfenbeinturm heraus wahrgenommen.
So enerviert sich der EPFL-Präsident, dass die Expertengruppe Gaillard, die zu Handen des Bundesrates einen Bericht für ein Sparprogramm der Bundesfinanzen erarbeitet hat, von «Nutzerfinanzierung» spricht. Zugegeben ein etwas sperriger Begriff.
Die Kritik der EPFL: Es sei falsch von Kostenverursachern zu sprechen, entscheidend sei das Potential der Studierenden.
Berufliche und akademische Weiterbildung gleichwertig
Nun ist es aber Gott sei Dank so, dass unser Bildungssystem nicht nur aus Universitäten besteht: Einen ganz wichtigen Anteil hat nämlich die Berufsbildung mit Lehre und Höherer Berufsbildung in unserem Lande.
Und das dort vorhandene Potential macht sich unsere Wirtschaft seit Jahren Tag für Tag ebenso zu Nutze. Eine wichtige Grundlage für unser Wachstum und unseren Wohlstand.
Wer also argumentiert, wegen Erhöhung von Semestergebühren für Studierende würden Bildungssystem und Demokratie auseinanderfallen, übersieht im besseren Fall einen wesentlichen Aspekt im Rahmen einer ganzheitlichen Bildungspolitik. Oder lässt ein verfehltes elitäres Denkverhalten durchblicken.
Eigentlich ist es aber ganz klar: Die Bundesverfassung hält klipp und klar fest, dass berufliche und akademische Weiterbildung gleichwertig seien.
Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.