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WWF zu Wolfsnachwuchs: «Weitblick statt Aktionismus gefragt»

Yannick Stay
Yannick Stay

Chur,

In Graubünden gibt es wieder mehr Wölfe. Obwohl von Bauern mehr Regulierung gefordert wird, mahnt der WWF Graubünden zu Pragmatismus bei dieser Problematik.

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Cilgia Schatzmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim WWF Graubünden. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • In Graubünden haben sich dieses Jahr elf von zwölf Wolfsrudel fortgepflanzt.
  • Laut Cilgia Schatzmann vom WWF ist davon auszugehen, dass die Population weiter steigt.
  • Dennoch warnt Schatzmann vor «blindem Aktionismus» als einfache Lösung.

Am Montag veröffentlichte das Bündner Amt für Jagd und Fischerei seinen dritten Quartalsbericht Grossraubtiere. Laut diesem haben sich in diesem Jahr elf von zwölf in dem Kanton lebende Wolfsrudel fortgepflanzt. Insgesamt konnte die Wildhut 46 Welpen nachweisen.

Gleichzeitig heisst es in dem Bericht, dass im dritten Quartal 226 Nutztiere von den Grossraubtieren gerissen wurden. Vorwiegend handelte es sich um Schafe und Ziegen. Braucht es aufgrund der steigenden Wolfspopulation in Graubünden eine verschärfte Bestandsregulation? Der kantonale Bauernverband wünscht sich dies.

Angesichts der neuen Zahlen erkundigte sich Nau.ch bei Cilgia Schatzmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim WWF Graubünden, ob von Seiten der Natur- und Umweltschützer ein Strategiewechsel ins Auge gefasst wird.

Nau.ch: Was ist Ihre Reaktion auf die am Montag publizierten Daten zum Wolfsbestand in Graubünden?

Cilgia Schatzmann: Die Anzahl von 46 Welpen bei 11 Wolfsrudeln mit Nachwuchs entspricht knapp der durchschnittlichen Wurfgrösse von 4,8 bis 7,7 Welpen pro Rudel.

wölfe graubünden
Jungwölfe tappen in Graubünden in eine Fotofalle. (Archivbild) - keystone

Nau.ch: Hat sich dieser Trend, dass es jetzt 46 Wolfswelpen gibt, in letzter Zeit abgezeichnet?

Schatzmann: Einzelne Regionen befinden sich noch in der Besiedlungsphase. Es ist von einem weiteren Anwachsen der Population mit neuen Rudelbildungen auszugehen.

Gleichzeitig wandern Bündner Wölfe ab und andere Wölfe wandern aus den umliegenden Gebieten und Ländern zu. Wölfe werden aber auch Opfer von Wilderei oder sterben im Verkehr oder durch Regulationsabschüsse. Der nachgewiesene Zuwachs entspricht somit den Erwartungen.

Nau.ch: Sind solche Zahlen ein Anlass, den WWF-Standpunkt bezüglich der Wolfsregulierung zu überdenken?

Schatzmann: Die Dezimierung des Wolfbestandes in der Schweiz auf zwölf Rudel widerspricht dem Jagdgesetz, das eine gezielte Regulierung bei grossen, drohenden Schäden zulässt. Lokale Wolfsbestände sind zu erhalten. Der Entwurf der Jagdverordnung, die am 1. Dezember in Kraft treten soll, sieht vor, bis zu 70 Prozent des Schweizer Wolfsbestands auszulöschen. Die Verordnung entpuppt sich auch vor dem Hintergrund der aktuellen Risszahlen als Massnahme ohne Realitätsbezug und wildbiologische Basis.

Möglichkeiten zur Bestandsdezimierung beim Wolf bestehen. Es soll aber auch nach dem Willen des Parlaments nur bei drohendem Schaden oder Gefährdung eingegriffen werden. Gefragt sind jetzt Weitblick, Pragmatismus und Verantwortungsgefühl im Umgang mit der Präsenz Wolf – nicht blinder Aktionismus zugunsten vermeintlich einfacher Lösungen.

Nau.ch: Im letzten Quartal wurden insgesamt 226 Nutztiere gerissen. Wie gewichtet der WWF das Leben von Wölfen gegenüber dem von Nutztieren?

Schatzmann: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl Nutztierrisse durch Wölfe im Kanton Graubünden um fast 50 Prozent zurückgegangen. Während Ende September 2022 rund 500 Nutztierrisse zu verzeichnen waren, sind es dieses Jahr zum gleichen Zeitpunkt noch 259. Gleichzeitig sind auf Bündner Alpen rund 1000 Schafe und Ziegen an Krankheiten und Unfällen verendet.

Auffällig ist der Rückgang der Schäden bei Rudeln, wo letztes Jahr absichtlich (Beverin GR) oder versehentlich (Moesola GR, Marchairuz VD) ein besonders schadenstiftender Leitrüde erlegt wurde. Diese Rudel sind kaum mehr negativ in Erscheinung getreten. Gezielte, zeitnahe Eingriffe gegen schadenstiftende Rudel, speziell Leittiere, können zu einem Rückgang der Schäden führen.

Der Wolf ist durch internationale Übereinkommen und durch nationale Gesetzgebungen in vielen Ländern geschützt – so auch in der Schweiz. Auf europäischer Ebene begründet sich sein Schutz durch die Berner Konvention.

Sollte der Wolf in der Schweiz stärker reguliert werden?

Nau.ch: Der kantonale Bauernverband wünscht sich mehr Regulierung. Was sagen Sie dazu und stehen Sie mit ihm in Kontakt?

Schatzmann: Obschon der Wolfsbestand in der Schweiz erneut zugenommen hat und die Anzahl gesömmerter Schafe stabil blieb, haben die Nutztierrisse heuer abgenommen. Dort, wo Herdenschutz fachgerecht umgesetzt wird, wirkt er in aller Regel gut.

Auch präventive Eingriffe in den Wolfsbestand sind neu möglich unbestritten. Das aktualisierte Jagdgesetz bietet dafür die richtigen Instrumente. Da auch Einzelwölfe in Gebieten ohne Herdenschutz Schäden anrichten können, kann diese Regulierung nur im Zusammenspiel mit flächig umgesetztem Herdenschutz funktionieren.

Zu dessen effektiver Umsetzung ist von Seiten der Behörden bei der Vergabe von Unterstützungsgeldern künftig mehr Entgegenkommen und Rücksicht auf regionale Besonderheiten gefordert. Der Kanton organisiert einen jährlichen Austausch zu den Grossraubtieren. An diesem Austausch sind auch der kantonale Bauernverband und die Umweltschutzorganisationen vertreten.

Kommentare

User #5396 (nicht angemeldet)

... und bis er den letzten Baum umgesaegt hat, die Meere leer gefischt und mit Plastik gefuellt, die Luft vergiftet bis alles todkrank verendet..... Ja, wir sind die Staerkeren aber wie steht es mit der Intelligenz??

User #5396 (nicht angemeldet)

Das einzige wirkliche Monster auf diesem Planet ist der Mensch. Wir haben die Intelligenz sogenannt besser zu sein als ein Tier. Urteilt nicht das normale Gehabe von Tieren sondern lernt wie man zusammen nebeneinander leben kann ohne aus Geldgier alles was nicht passt zu vernichten. Der Wolf kann nur da leben wo es etwas zu fressen gibt! Diese Balance haben wir Menschen zerstoehrt. Nun stoert der Wolf.

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