Regierungsrat Caduff: «Der Wolf lernt, den Herdenschutz zu umgehen»
Die Bündner Landwirtschaft will trotz starker Wolfspräsenz im Kanton ihre Tätigkeit nicht aufgeben. Man will sich vielmehr an das Grossraubtier anpassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Drei Viertel der Bündner Landwirtschaftsbetriebe ist von Wolfspräsenz betroffen.
- Dies teilt der Kanton mit nach einer Onlineumfrage.
- Der Herdenschutz würde in Graubünden aktuell an seine Grenzen stossen.
Wie der Kanton gestern mitteilte, sind drei Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe in Graubünden gemäss eigenen Angaben von der Wolfspräsenz betroffen. Während Bauern auf den Heimbetrieben Sichtungen oder auffälliges Verhalten der Tiere melden, sind es auf Alpbetrieben meist Angriffe und Risse.
Die Onlineumfrage zeige aber auch, dass Bauern anpassungsfähig seien und sich den Herausforderungen stellten, schrieb die Regierung. Sie wurde im Auftrag des Amts für Landwirtschaft und Geoinformation durchgeführt. Die Land- und Alpwirtschaft passe sich an, indem sie Produktion und Abläufe umstelle und in den Herdenschutz investiere. Gleichzeitig würde auch die Beweidung der Alpen neu organisiert werden.
Auswirkungen auf die Schaf- und Ziegenhaltung
Diese Ergebnisse seien erwartungsgemäss, sagte Regierungsrat Marcus Caduff (Mitte) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Man wolle damit keinen Druck in Bern aufbauen, sondern vielmehr repräsentative Fakten für eine sachliche Debatte bieten.
Gegenüber «SRF» hält Caduff aber auch fest, dass in den letzten Jahren viel Aufwand betrieben wurde für den Herdenschutz. «In der letzten Sommer-Saison haben wir enorm in den Herdenschutz investiert und trotzdem hat sich die Anzahl der Risse verdoppelt. Der Wolf lernt, die Herdenschutz-Massnahmen zu umgehen.»
Auswirkungen hat die Präsenz der Grossraubtiere vorwiegend auf die Schaf- und Ziegenhaltung. Die Sömmerung dieser Tiere hat laut der Regierung abgenommen. Allerdings beschränken sich Reduktionen des Tierbestandes oder gar Verzichte auf die Sömmerung bisher auf Einzelfälle.
Der Herdenschutz stösst bei der Wolfdichte im Kanton an seine Grenzen
Sollte der Druck jedoch weiter steigen und die Wolfspopulation zunehmen, könnten die Alpsommer für viele Tiere infrage gestellt werden. Dies erklärte Christian Flury, der agrar- und regionalwirtschaftliche Beratungen anbietet, den Medien.
Auch Peter Küchler, Direktor des landwirtschaftlichen Ausbildungszentrums Plantahof, machte deutlich, dass der Herdenschutz an seine Grenzen stösst. Aktuell liegt die Wolfsdichte bei zwölf Rudeln im Kanton.
Trotz der Herausforderungen durch die Wolfspräsenz ist die allgemeine Stimmung gemäss der Umfrage in der Bündner Land- und Alpwirtschaft positiv. Weit über 90 Prozent der Landwirte und Älplerinnen gab an, dass ihnen die Arbeit Freude mache.
Mehraufwand aufgrund der Rissgefahr durch die Grossraubtiere
Demgegenüber stehen aber auch Mehraufwände und Ängste, wie Daniel Buschauer, Leiter Amt für Landwirtschaft und Geoinformation GR, Keystone-SDA sagte. Ein Drittel des Personals auf den Bündner Alpen kommt heuer nicht wieder.
Ein triftiger Grund sei dabei der Mehraufwand aufgrund der Rissgefahr durch die Grossraubtiere und Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Wolf.
Umfrage vom Februar 2022
Die grösste Herausforderung für die Alpbetriebe sei jedoch der Klimawandel. In den letzten fünf Jahren hätten die Betreiber massiv in die Infrastruktur der Wasserversorgung investieren müssen, so Buschauer weiter.
Die Umfrage basiert auf einem Fraktionsauftrag aus dem Bündner Parlament von Februar 2022. Alle Landwirtschafts- und Sömmerungsbetriebe im Kanton konnten sich in einer Onlineumfrage äussern.
Die Umfrage soll in regelmässigen Abständen stattfinden
Beteiligt haben sich 1066 Landwirtschaftsbetriebe, was einem Rücklauf von 57 Prozent entspricht. Die Umfrage zur Sömmerung haben 405 oder 45 Prozent der angeschriebenen Betriebe beantwortet.
Gemäss Regierungsrat Caduff soll die 70'000 Franken-Umfrage nun in regelmässigen Abständen stattfinden.