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Wohnen in Zürich: «Ohne viel Glück und Vitamin B geht nichts»

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Zürich,

In Zürich leben aktuell so viele Menschen wie zuletzt im Jahr 1963. Wir haben einige von ihnen zu Hause besucht.

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Grauer Teppichboden, dafür viel Platz: Simon Bigler ist glücklich in seinem Zuhause. - Foto: tsüri.ch / Steffen Kolberg

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Stadt Zürich wird bezahlbarer Wohnraum immer seltener.
  • Simon Bigler, der aktuell in Affoltern lebt, ist mit viel Glück an seine Wohnung gekommen.
  • Er sagt, dass man heutzutage in Zürich nur noch mit Glück und Vitamin B etwas findet.

Vor genau fünf Jahren fand Simon Bigler mit mehr Glück als Aufwand zu der Wohnung, die ihm Freude bereitet. Sie liegt nah am Waldrand in Affoltern und ist Teil einer Liegenschaft, die wohl schon bessere Tage gesehen hat.

Der alternde Mehrfamilien-Klotz steht wie ein Fremdkörper zwischen den Reihenhäusern einer Wohnbaugenossenschaft, die gerade der Reihe nach hübsch saniert werden.

Ein dunkler Flur, der von Einbauschränken und Teppichboden dominiert wird, führt in geräumige und sonnige Wohnräume.

Dem Hochparterre sei Dank hat Bigler gleich zwei Terrassen, auf denen es blüht und gedeiht. Auch drinnen findet sich viel Grün – und eine detailverliebte Einrichtung, die mit den Nischen und Winkeln der Wohnung spielt.

Auch eine Sammlung leerer Setzkästen finden sich an der Wohnzimmerwand. Dabei handle es sich um Schubladen aus Druckereien, in denen die Buchstaben aufbewahrt wurden, erzählt der 39-Jährige.

Wo und wie wohnst du?

Ich wohne in einer sehr grossen 2,5-Zimmerwohnung oben am Käferberg zwischen Bucheggplatz und Affoltern. Mein Wohnraum alleine beträgt geschätzte 70 Quadratmeter.

Im Frühling, Sommer und Herbst kommen geschätzte 30 Quadratmeter dazu, denn ich halte mich liebend gerne in meinem Garten auf, der sich auf der Ostseite der Wohnung befindet.

Ist es dort zu sonnig oder zu schattig, kann ich auf meine Terrasse auf der Westseite ausweichen. Somit kann ich den ganzen Tag draussen sein, wenn ich möchte.

Eigentlich finde ich es ziemlich krass, wenn eine Einzelperson so viel Platz in Anspruch nimmt, ich hätte nie gedacht, dass das für mich je der Fall sein würde. Aufgrund des verschachtelten Schnitts der Wohnung eignet sie sich aber maximal für ein Paar, das nicht viel Rückzug braucht, es gibt ziemlich viel «toten Raum».

Diesen kann ich offensichtlich nicht wirklich nutzen, trotzdem entsteht das Gefühl von Raum und Luft, das schätze ich sehr.

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Grün dominiert das Bild draussen wie drinnen. - Foto: tsüri.ch / Steffen Kolberg

Wie hoch ist dein monatlicher Mietzins?

Ich bezahle für meine Wohnung 1460 Franken pro Monat. Meistens habe ich Ende Jahr um die 200 Franken Nebenkosten zurückerhalten, wurde aber letzten Herbst von meinen Vermieterinnen gewarnt, dass dieses Jahr wohl eher das Gegenteil der Fall sein wird, aus offensichtlichen Gründen.

Meine Miete beträgt ziemlich genau ein Drittel meines Einkommens – machbar, es wird aber zunehmend anspruchsvoller. Übrig bleibt mir Ende Monat nie etwas.

Wie bist du zu deiner Wohnung gekommen?

Über eine flüchtige Bekanntschaft. Ich hatte das WG-Leben schon lange richtig satt und als mein letzter Mitbewohner ausziehen wollte, war ich glücklicherweise endlich in der Lage, eine eigene Wohnung zu suchen.

Erstaunlicherweise war das dann gar nicht nötig, denn am Tag, nachdem der Mitbewohner weg war, lernte ich die Person kennen, die hier auszog.

Ich konnte einige Wochen später bereits in meine neue Wohnung – richtige Zeit, richtiger Ort! Zuerst war mein Vertrag befristet, wurde aber alle sechs Monate erneuert.

Nach ungefähr drei Jahren bekam ich dann einen unbefristeten Vertrag, da die geplante Totalsanierung auf Eis gelegt wurde. Das war ein extrem guter Moment!

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Leere Setzkästen und Filmplakate: Die Wohnung ist detailverliebt eingerichtet. - Foto: tsüri.ch / Steffen Kolberg

Was magst du an deiner Wohnung – und was nervt?

Ich mag die meisten Dinge an meiner Wohnung sehr. Speziell meine Aussenbereiche sind fast wortwörtlich Gold wert. Der Wald ist 200 Meter entfernt, das Quartier ist extrem friedlich und oftmals sehr ruhig, gerade in der Nacht bin ich darüber richtig froh.

Es ist im ganzen Haus aber schon alles sehr alt und teils nicht mehr in sehr gutem Zustand.

Gerade die Waschküche lässt zu wünschen übrig, das finde ich schon schwierig. Bei mir wurde seit vielen Jahren nicht mehr gestrichen, der Boden besteht zum grössten Teil aus altem grauem Spannteppich, generell ist das Haus wahnsinnig feucht und ich muss sehr konsequent lüften, weil es schnell mal muffig werden kann.

Aber das sind wiederum alles Punkte, welche zu meiner niedrigen Miete beitragen, darum kann ich mich meist problemlos damit arrangieren.

Wie hat sich das Quartier verändert, seit du hier eingezogen bist?

Der Verkehr und der generelle Betrieb im Quartier haben sich in fünf Jahren überhaupt nicht verändert. Jedoch ist bald eine Sanierung der Strasse geplant und momentan gibt es mehrere grosse Baustellen nahe beim Haus. Gerade die Sanierung der Genossenschaftshäuser in der Nachbarschaft wird erst 2025 oder 2026 abgeschlossen sein.

Da ich zu Bürozeiten arbeite, bekomme ich soweit nicht sehr viel davon mit, stelle mir die Belastung für die vielen älteren bis alten Leute im Quartier aber gross vor.

Wie gut kennst du deine Nachbarn?

Kaum, ist mir aber auch recht so.

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Abends hat Bigler auf seiner Westterrasse Sonne – sofern sie denn scheint. - Foto: tsüri.ch / Steffen Kolberg

Hast du Angst davor, aus deiner Wohnung zu müssen?

Da meine Vermieterinnen offensichtlich keinen Profit aus den Wohnungen schlagen wollen, denke ich nicht, dass nun doch in naher Zukunft saniert wird. Es könnte aber schon sein, dass sie das Haus eines Tages verkaufen, und dann mache ich mir keine Illusionen darüber, weiter hier leben zu können.

Wenn du wählen könntest: Wie und wo in Zürich würdest du am liebsten wohnen?

Ich würde auf jeden Fall hier im Quartier bleiben wollen. Ganz klar kann ich nicht mehr im Stadtlärm wohnen, brauche zumindest einen Balkon und den Wald in der Nähe. Darum käme ansonsten zum Beispiel Höngg infrage oder Teile von Oerlikon, Affoltern, Wollishofen, Friesenberg, sogar Leimbach. Es gibt wirklich viele schöne, ruhige Wohnlagen in Zürich, aber ob sich dann dort innert nützlicher Frist etwas finden liesse … Ich rechne ziemlich fest damit, dass ich aus der Stadt rausziehen werde, wenn ich mal vom Käferberg wegmuss.

Viele sagen, in Zürich herrscht aktuell Wohnungsnot – wie nimmst du das wahr?

Es herrscht eine sehr grosse Not an bezahlbaren Wohnungen, ich finde die Situation mehr als bedenklich. Keine Einzimmerwohnung verfügbar unter 1700 Franken, das klingt wie ein schlechter Witz. Sicherlich kann man weiterhin tolle und auch einigermassen bezahlbare Sachen finden, aber ohne viel Glück und Vitamin B geht nichts.

Wohnzimmer oder Balkon?

Balkon!

Ämtliplan oder Putzpersonal?

Ämtli.

Mieten oder kaufen?

Mieten – ich schliesse kaufen nicht kategorisch aus, finde es aber immer unwahrscheinlicher, dass es so weit kommen wird.

Trampelnde Kinder oder tanzende Erwachsene?

Definitiv Erwachsene.

Gross-WG oder Ein-Zimmer-Wohnung?

Ein-Zimmer-Wohnung.

Angeschriebenes Essen im Kühlschrank oder alles für alle?

Alle haben ihr eigenes Essen, aber man kann sich bei Bedarf auch mal bei den anderen bedienen.

***

Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autor Steffen Kolberg ist Redaktor beim Zürcher Stadtmagazin.

Kommentare

User #4878 (nicht angemeldet)

Es wäre nesser, wenn man mal Arbeitslose umschulen würde, statt weiterhin Personal im Ausland rekrutieren.

User #1990 (nicht angemeldet)

1000 sind schon mal die Fixkosten. Für die Steuern muss er wohl auch noch 600 beiseite legen. 1400 zum Leben ist nicht üppig.

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