Beyoncé: Darum schiesst das Netz im Fall P. Diddy gegen sie
Im September ist Musikmogul P. Diddy festgenommen worden. Ihm wird sexuelle Ausbeutung vorgeworfen. Doch warum wird Beyoncé nun in den Fokus gerückt?
Das Wichtigste in Kürze
- Sean «Diddy» Combs wurde festgenommen. Ihm wird sexuelle Ausbeutung vorgeworfen.
- Verschwörungstheorien im Internet rücken nun auch Sängerin Beyoncé in den Fokus.
- Warum verbreitet man Verschwörungstheorien über eine Frau, wenn ein Mann der Täter ist?
Der Musikmogul Sean «Diddy» Combs (54) wurde am 16. September verhaftet. Ihm drohen Anklagen wegen Erpressung und sexueller Ausbeutung. Mittlerweile werfen dem Rapper über 100 Personen diverse Delikte vor.
Seit einiger Zeit auf den sozialen Medien jedoch ebenfalls im Fokus: Sängerin Beyoncé Knowles (43), Ehefrau von Diddys Intimus Jay-Z (54). Um sie spannen sich zahlreiche Verschwörungstheorien.
So behaupten einige, J. Coles 2014 erschienener Song «She Knows» sei ein versteckter Hinweis darauf, dass die Sängerin über Diddys Machenschaften Bescheid wusste.
Ebenfalls eine beliebte Theorie: Die «Crazy in Love»-Interpretin habe etwas mit dem viel zu frühen Tod der R'n'B-Sängerin Aaliyah zu tun. Sie habe diese gemeinsam mit Jay-Z und Diddy beseitigt.
Mann in U-Haft, doch Frau steht am Pranger
Aber warum steht nun Beyoncé im Fokus, wenn eigentlich Sean «Diddy» Combs etwas Unrechtes getan hat? Das fragt sich auch die Youtuberin Alicia Joe in einem 20-minütigen Video.
Klar mache es Spass, über Verschwörungstheorien zu diskutieren, so Alicia Joe. Es dränge sich aber eine bestimmte Frage auf: «Wie kann es sein, dass ein Mann in Untersuchungshaft sitzt, dem Sexhandel vorgeworfen wird. Und das Internet schiesst sich trotzdem auf die erfolgreiche Frau, Beyoncé, ein?»
«Hassen wir Frauen so sehr, dass wir bei so einem Fall trotzdem Zeit verschwenden, eine Frau als Buhmann darzustellen?», fragt sich die Youtuberin. Dies, während mit Diddy ein Buhmann auf dem Präsentierteller serviert werden würde.
Frauen sind bei Verbrechen doppelt schuldig
Tobias Rohrbach, Postdoktorand mit Fokus auf Geschlecht und Medien, erklärt auf Anfrage von Nau.ch, was dahintersteckt.
«‹Celebrity Culture› war immer schon stark gegendert», so der Experte. Dies habe verschiedene Gründe, liesse sich aber fast immer daran knüpfen, wie in den Medien über Frauen berichtet wird.
In diesem Fall wohl der relevanteste Aspekt: Frauen verletzen bei einem Verbrechen nicht nur das Gesetz, sondern auch die Geschlechternorm.
Rohrbach erklärt: «Gemäss Geschlechternormen ist unmoralisches Verhalten bei Männern nicht besonders schlimm, solange sie dadurch ihre Ziele erreichen. Bei Frauen stellen Skandale oft eine Verletzung des Wärmestereotyps dar.»
Heisst: Von Frauen wird erwartet, dass sie sich moralisch korrekt und sozial verhalten. Somit wäre Beyoncé bei einer Beteiligung an den Skandalen rund um Diddy im Unterbewusstsein der Gesellschaft gleich doppelt schuldig.
Weitere Schlagzeile über Diddy interessiert nicht mehr
Auch die Funktionsmechanismen des Journalismus machen es lukrativ, über Beyoncé zu berichten. Ein weiterer Artikel über Diddy interessiert viele nicht mehr. Eine Schlagzeile, wie auch hier, in der Beyoncé mit Diddy in Verbindung gebracht wird, locke hingegen deutlich mehr Leser.
Bekanntheit, Negativität und Überraschung seien klassische journalistische News-Werte, sagt Rohrbach. All diese Boxen werden durch Beyoncé abgehakt: Sie ist sehr berühmt, es geht um schreckliche Vergehen und Täterinnen sind eher selten.
Mehr Intimität und der «Madonna-Hure-Komplex»
Grundsätzlich wird mit weiblichen Stars meist eine persönlichere Bindung aufgebaut. Mit anderen Worten bedeutet das: Bei Künstlerinnen wie Beyoncé besteht ein grösseres Interesse am Privatleben als beispielsweise bei ihrem Mann Jay-Z.
Das Privatleben weiblicher Promis steht noch aus einem weiteren Grund häufig im Fokus – und zwar aufgrund des «Madonna-Hure-Komplexes». Dieser ordnet jede Frau einer von zwei Kategorien zu: die unschuldige, verletzliche «Madonna» oder die schuldige, verachtenswerte «Hure».
Prominente Frauen würden demnach genaustens beobachtet, um einen «Fall» in die andere Kategorie nicht zu verpassen, erklärt Rohrbach. Ausserdem sei die Gesellschaft oft unfähig, in prominenten Frauen jegliche Art von Komplexität zu identifizieren.
Die Persönlichkeit und das Handeln von weiblichen Promis wird also als simpel und unkompliziert wahrgenommen. Und zwar auch bei tiefgründigen und vielschichtigen Hintergründen.
Verschwörungstheorien sind nachvollziehbar
Dass es rund um den Diddy-Skandal nun Thesen gibt, hält Marko Kovic, Experte für Verschwörungstheorien, grundsätzlich aber für nachvollziehbar.
Gegenüber Nau.ch erklärt er: «Diddy war jahrzehntelang ein grosser Player im Musik- und Showbusiness. Jetzt, wo glaubwürdige Anschuldigungen gegen ihn erhoben worden sind, fragt man sich automatisch, wer damit auch noch zu tun haben könnte.»
Man müsse aber kritisch denken, so Kovic. Beispielsweise wenn man Diddy, Beyoncé und Jay-Z aufgrund von Geburtsdaten ein Mordkomplott vorwirft, sollte man einen Schritt zurückgehen und sich fragen, ob das wirklich so plausibel ist, wie man im ersten Moment dachte.