Christoph Blocher nach Klima-Urteil: «Ez hämmer de Dräck»
SVP-Doyen Christoph Blocher erklärt: Das Klima-Urteil sei politisch motiviert, reine Willkür – «Das sind Politiker, die so tun, als wären sie Rechtssprecher!»
Das Wichtigste in Kürze
- Der EGMR hat entschieden: Die Schweiz verletze in Sachen Klimaschutz die Menschenrechte.
- Für Christoph Blocher ein Willkürentscheid von Politikern, die sich als Richter ausgeben.
- Der entsprechende Artikel der Menschenrechtskonvention habe mit Klimaschutz nichts zu tun.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Dienstag ein historisches Urteil gefällt: In Sachen Klimaschutz verletze der Bundesrat die Menschenrechte. Damit ist das Gericht auf die Beschwerde des Vereins «Klimaseniorinnen» eingetreten.
Der EGMR hatte sich zuvor noch nie explizit zur Verantwortung von Staaten für Massnahmen gegen den Klimawandel geäussert. Für die SVP ein Paradebeispiel für eine ausufernde Interpretation der Menschenrechte: In einer Medienmitteilung fordert die Volkspartei den sofortigen Austritt aus dem Europarat – und damit aus dem Zuständigkeitsbereich des EGMR.
Alt-Bundesrat Christoph Blocher: «Ez hämmer de Dräck»
Im Interview mit Nau.ch stimmt SVP-Doyen Christoph Blocher ähnliche Töne an. Er ist überzeugt, dass ein solcher Fall mit Annahme der «Selbstbestimmungsinitiative» im Jahr 2018 hätte verhindert werden können. Diese hatte nämlich vorgesehen, dass Schweizer Landesrecht automatischen Vorrang vor dem nicht zwingenden Völkerrecht erhalten müsse.
«Ez hämmer de Dräck» nörgelt der Alt-Bundesrat: «Plötzlich sagen die, wir begingen eine Menschenrechtsverletzung, weil der Bund auf der CO₂-Seite zu wenig unternehme.» Wenn man den entsprechenden Artikel 8 der Menschenrechtskonvention anschaue, sei aber klar, dass dieser mit Klimaschutz nichts am Hut habe.
Tatsächlich sucht man im Artikel 8 der EMRK vergeblich nach einem Verweis auf den Klimawandel. Denn die Menschenrechtskonvention ist absichtlich möglichst allgemein und abstrakt verfasst – das liegt in der Natur der Sache: Es ist die Aufgabe des EGMR, diese generell-abstrakten Normen im Streitfall auszulegen, was auch im EMRK-Vertrag so festgeschrieben ist.
Dieser sogenannte «Schutzbereich» der Menschenrechte wurde durch die erstmalige Anwendung in konkreten Einzelfällen immer weiter ausgedehnt: Vor diesem Hintergrund warnte der ehemalige Schweizer EGMR-Gerichtspräsident Luzius Wildhaber vor einer «stetigen Expansion der Menschenrechte».
Aktivistisches Gerichtsurteil?
Für Christoph Blocher geht die Auslegung im vorliegenden Falle zu weit: «Das ist reine Willkür – Politiker, die so tun, als wären sie Rechtssprecher!» Jetzt hofft der Alt-Bundesrat auf die Landesregierung – diese müsse Rückgrat zeigen und dem EGMR-Urteil keine Beachtung schenken.
Ohnehin wird die Schweizer Stimmbevölkerung in der Angelegenheit das letzte Wort haben: Der Urteilsspruch aus Strassburg ist rein deklaratorischer Natur. Wie genau die Schweiz ihre Klimaziele besser einzuhalten habe, schreibt das Gericht nämlich nicht vor. Konkrete gesetzgeberische Konsequenzen dürften – wenn überhaupt – nur über den politischen Weg erfolgen.