«Es ist keine Zensur, sondern eine Würdigung»
Die SVP wirft der Anti-Rassismus-Kommission Verbot und Zensur vor. Die Kommissionspräsidentin ist erstaunt über die heftige Reaktion.
Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP stellt ihre Kampagne nach Rassismus-Vorwürfen um: Es drohe Zensur, warnt sie.
- Erst die SVP habe die Vorwürfe überhaupt öffentlich gemacht, sagt die EKR-Präsidentin.
- Das sei keine Zensur und nicht-öffentliche Aussagen könne man auch nicht zurückziehen.
Nachdem die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus der SVP einen Brief geschrieben hatte, folgte die Retourkutsche. Zum einen bestreitet die Volkspartei den Vorwurf, ihre Kampagne «Neue Normalität?» sei rassistisch und hetzerisch. Zum andern kehrt sie aber auch den Spiess um.
Keine Spur von Zensur: «Ist eine Würdigung»
«Achtung Zensur: Anti-Rassismus-Kommission will nicht, dass Sie dieses Inserat lesen!», heisst es nun quer über die Kampagnensujets. Diese sind nach wie vor die gleichen: Meldungen von durch Ausländer begangenen Verbrechen inklusive brutaler, bisweilen blutiger Symbolbilder.
Die Forderung, die Kampagne einzustellen, sei ein antidemokratischer Eingriff in den Wahlkampf, so die SVP. Diese «Verleumdungen» müsse die Kommission umgehend zurückziehen, schreibt Parteipräsident Marco Chiesa.
Gegenüber Nau.ch stellt jetzt EKR-Präsidentin Martine Brunschwig Graf klar: «Das ist kein Verbot! Wir haben lediglich etwas gefordert – wenn sie die Kampagne nicht entfernen wollen, dann wollen sie nicht.» Die Ängste der SVP kann sie nicht nachvollziehen: «Es ist auch keine Zensur, sondern eine Würdigung.»
Fühlt sich die SVP bedroht durch Briefe?
Brunschwig Graf bleibt dabei: «Die Kampagne als Ganzes schürt ein feindseliges Klima gegenüber bestimmten Gruppen, und das ist nicht tragbar.» Den Einwand der SVP, man zeige die Realität, statt zu schweigen, lässt sie nicht gelten.
«Die Frage ist doch: Was ist das Ziel dieser Kampagne? Und was ist das Resultat?» Für die ehemalige Nationalrätin (FDP/GE) wird die Realität verzerrt. Es werde suggeriert, nur ausländische Personen seien für Gewalt und Kriminalität in der Schweiz verantwortlich.
Nach der Retourkutsche der SVP gibt es auch eine solche seitens der EKR. Sie lehnt die Forderungen ebenfalls ab: «Wir können nicht etwas zurückziehen, das wir in einem Brief geschrieben haben», hält die EKR-Präsidentin fest. «Erst die SVP hat dies ja überhaupt öffentlich gemacht.» Die EKR will ihren Brief als Hinweis, oder eben eine Würdigung, verstanden wissen, ansonsten man an die Öffentlichkeit gegangen wäre.
Liegt es am Klima der Angst oder am aufgeheizten Wahlkampf? Brunschwig Graf gibt sich jedenfalls überrascht von der Heftigkeit der Reaktion seitens der Volkspartei. «Die SVP sieht sich mehr bedroht durch einen nicht-öffentlichen Brief als durch eine Medienmitteilung – das ist erstaunlich.»