Expertin: Kritik an Viola Amherd basierte auf Frauenfeindlichkeit
Als Verteidigungsministerin habe Viola Amherd wohl mehr für die Gleichstellung getan, als dies ein Mann getan hätte, sagt Soziologin Gesine Fuchs.
Das Wichtigste in Kürze
- Viola Amherd war als Verteidigungsministerin wichtig für die Gleichstellung.
- Ein Mann im VBS hätte wohl nicht gleich viel bewirkt, sagt eine Expertin.
- Die Kritik an Amherd basiere teilweise auf Frauenfeindlichkeit.
Nach ihrer Wahl in den Bundesrat blieb für Viola Amherd nur ein Departement übrig: Wie viele Bundesrats-Neulinge vor ihr musste sie sich mit dem VBS begnügen. Und wurde damit unversehens zur ersten Verteidigungsministerin, die die Schweiz je hatte.
Für die Gleichstellung sei eine Frau an der Spitze des Verteidigungs- und Sportdepartements wichtig, sagt Gesine Fuchs.
Die Dozentin für Sozialpolitik an der Hochschule Luzern macht aber sogleich eine Einschränkung: «Solange es immer noch ‹das erste Mal› gibt». Denn dann helfe es, Frauen mit Macht in der Politik zu normalisieren.
Viola Amherd: Nicht nur symbolisches Vorbild
Viola Amherd habe aber mehr als nur Symbolisches bewirkt, zeige sich beim Blick nach innen. Gesine Fuchs nennt als Beispiel die Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity, die Amherd geschaffen hat. Oder die Studie zu sexualisierter Gewalt in der Armee, die sie durchführen liess.
«Und es gibt im VBS einen Massnahmenkatalog, um den Frauenanteil in der Armee zu erhöhen, für Diversitätsfragen zu sensibilisieren und sexualisierte Gewalt bestmöglich zu verhindern.» Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verteidigungsminister dies alles angeschoben hätte, sei sehr viel kleiner.
Kritik an Amherd wegen Gender-Themen
Viola Amherd stand aber auch immer wieder in der Kritik. Sachliche Kritik, wie sie bei allen Bundesrats-Mitgliedern vorkommt. Aber auch Kritik, bei der man vermuten konnte oder musste, dass sie aufs Geschlecht abzielte. Bis hin zu Rücktrittsforderungen, lange bevor die SVP eine solche vor einer Woche ebenfalls formulierte.
Deren Kritik basiere auf Frauenfeindlichkeit, sagt Fuchs und zitiert einen Satz aus der SVP-Mitteilung: «Frau Amherd beschäftigt sich lieber mit Gender-Themen in der Armee als um die Ausrüstung.»
Damit werde ein Anti-Gender-Diskurs aktiviert, der weltweit gegen Fortschritte bei der Gleichstellung als Begründung diene.
War die Schweiz etwa nicht bereit für eine Frau in einer solchen Position? «Die Schweiz ist schon lange bereit», erklärt Gesine Fuchs. Sie verweist dazu auf eine Studie von 2018, die genau das untersucht hat: «Die Ernennung von Verteidigungsministerinnen weltweit.»
Normal: Frau an der Spitze eines Verteidigungsministeriums
Die Studie zeige, dass Frauen eher in Ländern Verteidigungsministerin werden, in denen sich Erwartungen zu Frauen in der Politik ändern.
Also etwa mehr Frauen in Regierung und Parlament sitzen. Und: Wenn diese Länder sich mit Friedenssicherung beschäftigen und nicht in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind.
«Das ist alles in der Schweiz der Fall», betont Fuchs. In der Tat: Zweiteres würde wohl auch die SVP sofort unterschreiben.
Und Frauen machen im Parlament zwar «nur» etwa ein Drittel aus, im Bundesrat sind es immerhin drei von sieben. Während zwei Jahren ab 2010 gab es auch schon eine Frauenmehrheit.
So ungewöhnlich sollte eine Frau Verteidigungsministerin also nicht sein. Aktuell gibt es in fünf EU-Staaten amtierende Verteidigungsministerinnen, gibt Gesine Fuchs zu bedenken.
Zwei Drittel der EU-Staaten hatten schon mindestens einmal eine Verteidigungsministerin. Deutschland zum Beispiel hatte schon deren drei, darunter eine gewisse Ursula von der Leyen.