Massentierhaltung: Bauern & Tierschützer beklagen Plakat-Vandalismus
Kampagnenmaterial für und gegen die Massentierhaltungsinitiative wird beschädigt, Bauernverband und Initiativkomitee beschuldigen sich. Wieso diese Feindschaft?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Ja- und Nein-Kampagnen zur Massentierhaltungsinitiative klagen über Vandalismus.
- Beide Seiten wollen den Dialog fördern und bedauern die aufgeheizte Stimmung.
- Der Bauernverband schlüpfe wiederholt in die Opferrolle, kritisiert das Initiativkomitee.
Wieder wird aufgrund einer Abstimmung über Landwirtschaft diskutiert und wieder klagt der Bauernverband über Vandalismus. Die Kampagne um die Massentierhaltungsinitiative erinnert an die Pestizid-Initiativen im Frühling 2021: Landwirtinnen und Landwirte berichten von beschädigtem Material, das Initiativkomitee ebenso. Wieso kommt es dazu?
Der Bauernverband kann es sich auf Anfrage auch nicht erklären. Scheinbar gehe das Demokratieverständnis verloren, klagt Mediensprecherin Sandra Helfenstein. Ein Imageproblem habe der Verband nicht: «Vielmehr scheint es einen Mangel an guten Argumenten zu geben, dass man zu solchen Massnahmen greifen muss.»
«Der Bauernverband schürt absichtlich ein Narrativ»
Philipp Ryf vom Initiativkomitee gegen Massentierhaltung erzählt von Material, das täglich nachgeschickt werden muss: «Es wird geklaut, abgerissen, beschädigt, vor allem im ländlichen Raum.» Ryf bedauert den Vandalismus und die aufgeheizte Stimmung, das Komitee habe sich stets Mühe gegeben, diese nicht künstlich weiter anzufeuern. Er habe aber den Eindruck, dass der Bauernverband absichtlich ein Narrativ schüre.
«Es geht um Identität», sagt der Tierrechtsaktivist. «Den Bauern wird erzählt, die Städter wollten ihre Existenz ruinieren, obwohl das nicht so ist.» Bei der Massentierhaltungsinitiative gehe es primär um das Tierwohl.
Den Bäuerinnen und Bauern soll mit der 25-jährigen Übergangsfrist geholfen werden. Mit der Importklausel sollen sie «nicht zuletzt auch vor Billigimporten» geschützt werden, betont Ryf.
Der Frust ist auch in den Antworten des Bauernverbands spürbar. «Wir halten es für total legitim, für eine Tierhaltung gemäss Bio-Haltungsbedingungen einzustehen», sagt Mediensprecherin Helfenstein. «Nur sollte man dann konsequent sein und auch gemäss den eigenen Wertvorstellungen einkaufen.»
Der Bioanteil beim Fleisch liege unter zehn Prozent, obwohl gemäss Umfragen die Hälfte der Stimmbevölkerung Ja stimmen wolle. Wäre die Nachfrage grösser, würden mehr Betriebe Bio produzieren.
«Tag der offenen Stalltüre» soll Dialog um Massentierhaltungsinitiative fördern
Der Zürcher Bauernverband (ZBV) veranstaltet jeden September einen «Tag der offenen Stalltüre». Die Aktion, auch genannt «vo puur zu puur», gebe es schon seit zwölf Jahren, sagt Präsident Martin Haab. Im Lichte der Kampagne und des Vandalismus habe man wieder darauf aufmerksam machen wollen: «Wir wollen transparent sein und den Dialog mit Kritikern suchen.»
Zwar hätte der ZBV auch auf Social Media reagieren können, sagt SVP-Nationalrat Haab. «Aber wir wollten zeigen, dass wir Bauern gesprächsbereit sind. Die Kritiker sollen kommen und schauen, wie es auf unseren Höfen aussieht.»
Den Dialog suchen und fördern will auch Tierschützer Philipp Ryf. Das Komitee finde es jedoch bedauerlich, dass sich der Bauernverband in die Opferrolle versetze. «Die grosse Mehrheit unserer Unterstützenden respektieren die Landwirtschaft. Vielleicht wäre es auch gut, in der umgekehrten Richtung einen ‹Tag der offenen Türe› zu machen.»
Der Schweizer Bauernverband wiederum ist überzeugt, mit Einblicken in die Höfe mehr Menschen von einem Nein überzeugen zu können. Und mit einem Auslandsvergleich könnten wahrscheinlich alle überzeugt werden, mutmasst Helfenstein. Ausser vielleicht die sogenannten «Antispeziesisten», die jegliche Diskriminierung gegen nicht-menschliche Tiere bekämpfen, fügt sie hinzu.