Nationalrat debattiert weiter über EU-Politik
Das Wichtigste in Kürze
- Wie soll es mit der schweizerischen EU-Politik weitergehen?
- Jede Fraktion darf heute im Nationalrat Wünsche sowie Lösungen äussern.
- Aussenminister Ignazio Cassis sitzt ebenfalls im Nationalratssaal.
Ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist Geschichte. Der Bundesrat hat am 26. Mai die Verhandlungen abgebrochen.
Jetzt müssen aber viele Fragen geklärt werden, wie auch der Bundesrat im Mai zugegeben hat. Die Wichtigste ist jedoch: Wie gehen wir überhaupt weiter mit der EU um?
SVP-Fraktion in Feierlaune
Die SVP feiert mit Sprecher Roger Köppel den Abbruch als Sieg für die «freiheitliche Schweiz». Der Zürcher bedankt sich bei allen, welche dazu beitrugen, das Abkommen nicht zu unterzeichnen. Die rechtskonservative Fraktion will zudem erstmals abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Konkrete Lösungen und Wünsche werden ansonsten nicht gestellt.
Andere fokussieren sich auf die technischen Folgen des Verhandlungsabbruchs. Die Mitte- und FDP-Fraktionen sprechen vor allem über wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen wie Stromlieferung. Die Mitte kritisiert zudem die SP und die Grünen aufgrund derer Forderungen.
Der bilaterale Weg bleibt für die Freisinnigen den Königsweg. Die Schweiz solle aber auch ausserhalb Europas nach Verbündeten und Handelspartnern suche, sagt Olivier Feller (VD). Der EU-Beitritt habe bei der Bevölkerung keine Chance, so die FDP, realistische Vorschläge aber schon.
SP und Grüne wollen Kohäsionszahlung an EU freigeben
In der SP-Fraktion konzentriert sich Sprecher Cédric Wermuth (AG) auf die diplomatischen Folgen und den weiteren Dialog. Dabei wird auch Kritik an den Bundesrat formuliert. Die SP will aber vor allem die Kohäsionszahlung vorantreiben und die Blockade aufheben. So soll ein wenig Goodwill bei der EU abgeholt werden.
Zudem wollen die Sozialdemokraten im Nationalrat einen EU-Beitritt vors Volk bringen. Es sei die richtige demokratische Lösung, wenn der Souverän darüber entscheiden könne.
Bei den Grünen wird auch die Frage gestellt, wie die Beziehungen zur EU in Sachen Klimaschutz weitergehen könnten. Ansonsten sind sich die Grünen mit der SP-Fraktion in vielen Punkten einig, wie auch bei der Kohäsionsmilliarde. Die Fraktion habe «EU in ihrer DNA», sagt Sprecher Nicolas Walder (GE).
Dem stimmen auch die Grünliberalen zu, wie Fraktionssprecher und Parteipräsident Jürg Grossen (BE) sagt. Ansonsten fürchtet die GLP-Fraktion eine unsichere Lage aufgrund des Abbruchs. Es sollen «alle Optionen» diskutiert werden, so auch einen EU-Beitritt. Aus Sicht der Grünliberalen wäre aber das InstA der Königsweg gewesen.
Ignazio Cassis steht dem Nationalrat Rede und Antwort
Bundesrat Ignazio Cassis hat das letzte Wort in dieser Debatte. Wie es weitergehen soll, sei bekannt, so der FDP-Politiker. Es sei zwar wichtig, aufzuarbeiten, wie es zum Abbruch kommen konnte. Aber die Schweiz müsse nach vorne schauen: «Der Bundesrat will den bilateralen Weg mit der EU fortsetzen.»
Diese Lösung sei auch im Interesse der EU, sagt Cassis weiter. Der Bundesrat befürworte eine Debatte zur Blockade der Kohäsionsmilliarde in der Herbstsession. Zudem wolle die Exekutive die Folgen der «Druckpolitik durch die Europäische Union» lindern.
Der Nationalrat lässt den Tessiner aber nicht ohne Fragen davonlaufen. Zum Beispiel fragt Roger Köppel, wieso der Bundesrat in Erwägung ziehe, eine Kohäsionszahlung zu betätigen. Da das Rahmenabkommen vom Tisch sei, antwortet Cassis, soll der Beitrag bezahlt werden. So zeige die Schweiz, sie wolle weiterhin mitreden und mithelfen.
Die Kohäsionszahlung wäre ein Betrag von 1,3 Milliarden Franken über zehn Jahre, erklärt Cassis. Die Schweiz würde also jedes Jahr rund 130 Millionen pro Jahr. Viele Nationalratsmitglieder stellen zudem Fragen zu den Gründen des Abbruchs. Hierzu antwortet Cassis immer etwa das Gleiche: Es war nicht die richtige Lösung.
Es kommen aber auch Fragen zur Diskriminierung von Schweizer Medizinalprodukten durch die EU – eine von Magdalena Martullo-Blocher. Diese Einschränkung für die Medizintech-Branche habe schon vor dem Abbruch des InstA begonnen, antwortet Cassis. Der Bundesrat sei aber hierzu im Gespräch mit Brüssel.