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Nationalrat will das Strafprozessrecht anpassen

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Bern,

Der Nationalrat will das Konzept der restaurativen Gerechtigkeit in die Vorlage aufnehmen. Er hat das revidierte Strafprozessrecht gutgeheissen.

Nationalrat strafprozessrecht
Der Nationalrat bei einer Abstimmung. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Nationalrat hat die revidierte Strafprozessordnung gutgeheissen.
  • Allerdings will er das Teilnahmerecht an Beweiserhebungen nicht einschränken.
  • Weiter will er das Konzept der restaurativen Gerechtigkeit in die Vorlage aufnehmen.

Der Nationalrat hat das revidierte Strafprozessrecht gutgeheissen. Im Gegensatz zum Bundesrat schränkt er aber das Teilnahmerecht von Beschuldigten an Beweiserhebungen nicht ein. Der Nationalrat will das Konzept der restaurativen Gerechtigkeit in die Vorlage aufnehmen. Angepasst werden sollen einzelne Punkte im erst zehnjährigen Strafprozessrecht.

Schon kurz nach deren Inkrafttreten wies die Praxis auf Probleme hin, es folgten parlamentarische Vorstösse. Der Bundesrat hat die Anliegen nun in einer Vorlage zusammengefasst.

Kein Teilhaben vor einlässlicher Äusserung

Diese hat der Nationalrat am Donnerstag mit 139 zu 54 Stimmen gutgeheissen. Die Nein-Stimmen kamen von der SVP. Sie kritisierte, dass die Balance zwischen Opferschutz und dem Anliegen, Täter schnell dingfest zu machen, nicht erreicht werde. Dies sagte Pirmin Schwander (SZ).

In einem zentralen Punkt widerspricht der Nationalrat dem Bundesrat. Er will das Teilnahmerecht der Beschuldigten an Einvernahmen nicht einschränken. Nach geltendem Strafprozessrecht dürfen alle Parteien im Verfahren an allen Beweiserhebungen teilnehmen. Dabei will der Nationalrat bleiben, um faire Verfahren zu garantieren.

Pirmin Schwander strafprozessrecht
Pirmin Schwander (SVP/SZ) im März 2020. - Keystone

Der Bundesrat beantragte, dass Beschuldigte bei Beweiserhebungen nicht dabei sein dürften, bevor sie sich selbst einlässlich geäussert haben. Gemeint sind zum Beispiel Einvernahmen von Zeugen oder Personen, die im gleichen Verfahren beschuldigt sind.

Sich einlässlich zu äussern, sei für Unschuldige schwierig, da sie nicht mehr sagen könnten, als dass sie unschuldig seien. Dies gab Philipp Matthias Bregy (CVP/VS) zu bedenken. Die Einschränkung bedeute für Beschuldigte, dass sie auf ihr Recht, die Aussage zu verweigern, verzichten müssten. Dies erklärte Elisabeth Schneider Schüttel (SP/FR).

Strafprozessrecht geht nicht bis zum Minimum des Zulässigen

SVP, GLP sowie Mitglieder von FDP- und Mitte-Fraktion hätten dem Bundesrat folgen wollen. Das Aussageverweigerungsrecht respektive das Nichtmitwirkungsrecht schütze Beschuldigte genügend, sagte Lukas Reimann (SVP/SG). Barbara Steinemann (SVP/ZH) sprach von Problemen mit Einschüchterung, «etwa wenn der Boss der Bande anwesend ist».

Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte dazu, der Bundesrat wolle eine massvolle und zurückhaltende Einschränkung. Man gehe nicht bis zum «Minimum des Zulässigen», das Strafverfolger gewünscht hätten.

Karin Keller-Sutter
Karin Keller-Sutter spricht sich für umfassenden Staatsbeitrag an Sicherheitskosten aus. - Keystone

Gegen den Willen des Bundesrats nahm der Nationalrat das Konzept der «justice restaurative» oder restaurativen Gerechtigkeit auf. Es sieht vor, dass sich beide Parteien im Verfahren auf eine Mediation einigen können. Deren Ergebnis kann die Strafverfolgungsbehörde berücksichtigen. Eine Pflicht zur «justice restaurative» soll es im Strafprozessrecht aber nicht geben.

Die SVP und ein Teil der Mitte-Fraktion sowie der Bundesrat hätten auf diese Bestimmung verzichten wollen. Eine solche Mediation widerspreche dem Beschleunigungsgebot, sagte Schwander (SVP/SZ).

Den Bundesrat überzeuge das Konzept nicht, sagte Justizministerin Keller-Sutter. Der Anwendungsbereich sei zu offen formuliert. Auch zu den Auswirkungen gebe es keine klare Bestimmung.

DNA-Umgang im Gesetz

Beim Umgang mit DNA-Profilen will der Bundesrat die Praxis des Bundesgerichts ins Gesetz schreiben. Profile sollen nicht nur zur Aufklärung jener Delikte erstellt und gespeichert werden dürfen, um derentwillen das Verfahren geführt wird. Sie sollen auch für die Aufklärung früherer oder künftiger Taten verwendet werden können.

Bei früheren Taten müssten gemäss Antrag des Bundesrats «konkrete Anhaltspunkte» bestehen, damit ein Profil erstellt wird. Die RK-N wollte, dass eine «gewisse Wahrscheinlichkeit» für frühere Straftaten genügen solle, und drang damit durch.

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Bundesrätin Karin Keller-Sutter will es der Polizei künftig erlauben, mit detaillierten DNA-Profilen auf Verbrecherjagd zu gehen. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Geht es dagegen um mögliche künftige Straftaten, will der Rat beim geltenden Strafprozessrecht bleiben. DNA-Profile sind heute bei Verurteilungen möglich, wenn ein gewisses Mindeststrafmass erreicht wurde. Beziehungsweise bei bestimmten Delikte oder bei der Anordnung einer therapeutischen Massnahme oder Verwahrung.

Nicht durchgedrungen ist der Bundesrat auch mit dem Beschwerderecht für Staatsanwälte gegen Nichtanordnung, Nichtverlängerung und Aufhebung einer Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Die Mehrheit der RK-N wollte dieses Recht allein für Beschuldigte und setzte sich durch.

Vorschüsse bei langen Verfahren

Der Bundesrat habe den Passus trotz Bedenken und Unsicherheiten in den Entwurf aufgenommen, sagte Keller-Sutter. In der Vernehmlassung habe eine Mehrheit die Beschwerdeberechtigung im Strafprozessrecht befürwortet.

Die Tarife für die amtliche Verteidigung will der Nationalrat nicht neu regeln. Bezahlt werden soll nach Tarif des Bundes oder des Kantons, in dem der Prozess stattfindet. Die RK-N hätte den gleichen Ansatz wie für Wahlverteidiger gewollt.

Andrea Geissbühler strafprozessrecht
Andrea Geissbühler (SVP/BE) spricht an einer Pressekonferenz (Archivbild). - Keyston

Andrea Geissbühler (SVP/BE) setzte das Nein gegen diese «von der Anwaltslobby vorgeschlagene Lohnerhöhung» mit einem Einzelantrag durch. Ergänzt wurde auf Antrag von Jean-Luc Addor (SVP/VS), dass in langen Verfahren der amtlichen Verteidigung Vorschüsse ausgerichtet werden können.

Das revidierte Strafprozessrecht geht an den Ständerat.

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